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Pott’s Brauerei

Es ist der Duft, der stetig durch die Gänge zieht, sich in die kleinsten Winkel der großen Produktionshalle stiehlt und den Besucher in unterschiedlicher Intensität begleitet. Mal süß, mal herb, mal mit starker Malznote, mal ganz dezent, schafft der nuancenreiche Duft des Bieres schon beim Betreten der Brauerei eine wohlige Atmosphäre.

Ich bin bei Pott′s in Oelde und werde heute den Weg des Bieres vom Sudhaus über die Hefe- und Gärtanks hinein in Tankwagen und bis zur Reifung, Filtration und Abfüllung verfolgen. Zumindest theoretisch, denn Jörg Pott führt mich drei Stunden durchs Innerste seiner Brauerei, die seit 1769 im Familienbesitz ist. So wird erlebbar, was in den rund sechs Wochen von der Produktion im Sudhaus bis zum endgültigen Verladen der Kisten und Fässer auf die LKW geschieht.

Das ist übrigens kein Paula-Privileg, sondern tatsächlich Alltag auf dem 30.000 Quadratmeter-Areal in direkter Nähe zur A2-Abfahrt. Denn hier befindet sich, wie es der 35-jährige Chef beschreibt, die gläserne Erlebnisbrauerei, einzigartig in Europa und die Verwirklichung des Traumes von Senior Rainer Pott, der die Geschäfte bis 2011 leitete – und dann den Staffelstab an Jörg Pott, die siebte Generation, weiter gab.

Gerstenmalz – bevor es seine Arbeit tut.

Gläsern ist hier wirklich keine Übertreibung, denn jeder Gast kann ohne Anmeldung unbehelligt durch die Gänge der Naturpark-Brauerei schlendern, in Vitrinen Grüße aus der Vergangenheit begutachten und natürlich, denn darum geht es ja, die Bierabfüllung in der imposanten Halle verfolgen.

Doch bevor ich zu lange durch die Fenster luge, um zu beobachten wie die Bügelverschlussflaschen (ach, dieses schöne vintage Plopp-Geräusch) bearbeitet werden, muss ich ja erstmal verstehen, wie das schmackhafte Gebräu zu eben diesem wird. Also ab ins Auto und zweieinhalb Kilometer in die Oelder Altstadt, wo die ursprüngliche Brauerei ihren Sitz hat und bis heute die ersten Produktionsschritte erfolgen. Hier entsteht das so genannte Jungbier.

Die Zweiteilung rührt daher, dass die Altstadt-Brauerei für die wachsende Produktion des Münsterländer Originals – mittlerweile 60.000 Hektoliter pro Jahr – zu klein geworden war. Und so ließ Rainer Pott vor 20 Jahren seine Vision von einer großen, gläsernen Brauerei am Oelder Stadtrand wahr werden.

Übrigens: Mit den Visionen geht es in der siebten Generation weiter, denn Braumeister und Dipl.-Betriebswirt Jörg Pott hat den Ideenreichtum scheinbar vom Vater geerbt. Eine Experimentalbrauerei und Craft-Beer sind die Stichworte vor allem für die jüngere Kundschaft – aber dazu später mehr. Jetzt will ich sehen, wo Pils, Landbier, Prinzipal und Weizen ihren Ursprung haben.

Es geht eine schmale Wendeltreppe hinauf ins Herz der Altstadt-Brauerei. Der allgegenwärtige feine Malz-Geruch verstärkt sich um ein Vielfaches, als Brauer Stefan Klein die Tür zum Sudhaus öffnet. Zwei glänzende kupferne Sudgefäße bilden das Zentrum des Raumes, in dem es im Sommer ganz schön heiß werden kann. Schließlich verrichtet das Malz hier seine wichtigste Arbeit.

Ok, jeder, der jemals Bier getrunken hat, kennt wohl die Inhaltsstoffe laut Reinheitsgebot: Hopfen, Malz (aus Gerste oder Weizen), Wasser (bei Pott′s sogar aus eigenem Brunnen, der aus einem Urwasserreservoir schöpft) und Hefe. Aber was passiert damit? Brauer Stefan Klein ist seit 20 Jahren für den Inhalt der Sudgefäße und Tanks zuständig. Seiner Begeisterung hat diese Zeit keinen Abbruch getan.

Konzentriert erzählt Klein von der zum Keimen gebrachten Gerste, das ist Malz nämlich, die gemahlen wird. Bei 50 Grad Celsius wird dieses Malzschrot mit Wasser gemischt, so entsteht die Maische, die wiederum bis 78 Grad erhitzt wird. Es geht um Malzstärke, die durch Enzyme in Zucker gespalten wird. Es fallen die Worte Rastphasen, Gärprozess, Siebboden, Alphasäure. Mir wird langsam warm… Mensch, Paula, hier geht es um ein deutsches Nationalheiligtum, versuch doch mal, deine Erinnerungen an den Bio-Unterricht zu reaktivieren.

In siebter Generation leitet Jörg Pott die Brauerei. Foto: Münsterland e.V./Kuiter

Jörg Pott merkt lächelnd, dass ich etwas Mühe habe, den einzelnen Prozess-Phasen zu folgen. „Im Läuter-Bottich wird die Würze filtriert. Im nächsten Schritt findet die Kochung in der Würzepfanne statt und da kommt der Hopfen dazu“, vereinfacht der Chef den stundenlangen Vorgang für mich. Und die durch das Kochen steril gewordene Würze, ergänzt Stefan Klein, wird heruntergekühlt, in Gärtanks geleitet und auf dem Weg dorthin mit Hefe versetzt.

Etwa eine Woche gären Würze und Hefe in diesen Tanks.

Wir steigen also weiter die Wendeltreppe rauf, ins oberste Stockwerk der Brauerei, wo die großen Gärtanks stehen. Etwa eine Woche gärt die mit Hefe gepaarte Würze in diesen Tanks, der Malzzucker wandelt sich durch die Tätigkeit der Hefe in Alkohol, Kohlensäure und viele geschmacksbestimmende Inhaltsstoffe – das Jungbier ist entstanden.

Die hauptsächlich regionalen Rohstoffe werden übrigens nachhaltig genutzt: Hefe kann mehrmals verwendet werden, Nebenprodukte wie der Treber (Malzspelzen und Eiweiß) gehen an die Landwirtschaft. „Kühe geben damit viel besser Milch. Die Hefe ist gut für das Fell von Pferden. Und für verstimmte Pferdemägen“, erzählt Klein grinsend.

Dann geht‘s runter in den Hof, wo ein Tankwagen seine Füllung erhält. Als kleiner Junge sei er hier schon rumgesprungen, später oft nach Schulschluss zum Helfen vorbeigekommen.
„Ja, da hängen viele Erinnerungen dran“, erzählt der Brauersohn – erst auf meine Nachfrage, und das macht ihn authentisch. Denn Jörg Pott ist niemand, der um der schönen Wirkung willen Bilder aus seiner Kindheit aufsteigen lassen würde. Er steht ohnehin mit ganzem Herzen hinter seinem Betrieb, der der Region verbunden ist. Der Vertriebsradius beträgt nur 100 Kilometer, auf eine Pasteurisation wird verzichtet: zugunsten der Frische, des Geschmacks und durch die kurzen Wege auch zugunsten des Umweltschutzes.

Auf den kurzen Weg zurück zum Hauptsitz machen wir uns jetzt auch.

Passenderweise erzählt Jörg Pott dabei von der geplanten Zusammenlegung der Betriebsstätten. Auf dem Areal „In der Geist“ sollen das Sudhaus mit Gär- und Lagerkeller neu gebaut werden. Außerdem ist für 2018 die Eröffnung der Experimental-Brauerei geplant, in der Craft-Bier und andere Spezialitäten beispielsweise mit englischer Ale-Hefe entstehen werden.

„Wer Lust auf Außergewöhnliches hat, darf gespannt sein. Wir wollen hier von den klassischen Stilen abweichen und unerwartete, neue Genusswelten schaffen“, erzählt der 35-Jährige und man spürt seine Begeisterung für dieses persönliche Projekt. Selbstverständlich wird auch der Neubau komplett gläsern und der Öffentlichkeit zugänglich sein.

Zurück an der Naturpark-Brauerei führt mich Braumeister Peter Wienstroer durch den großen, kühlen Bereich der Reifung und Filtration. Ein Labyrinth aus hunderten chromblitzenden Rohren, die sich auf die gesamte Höhe des Raumes und die Decke verteilen. Blickfang sind die zylinderförmigen Reifetanks. Verborgen in der Deckenkonstruktion erstrecken sie sich auf 16 Meter Höhe. Darin wird das Jungbier auf -1,5 Grad abgekühlt, lagert vier Wochen und durchläuft dann die Membran-Filtration.

Die mit Membranen gespickten, unzähligen Rohre haben also den Auftrag, alle störenden Reste aus dem Bier herauszufiltern. Peter Wienstroer zeigt mir einen alten Filter von 1930. Die grüne Patina an den zerkratzten Bronzerohren erzählt mehr, als Wienstroer mit Worten erklären muss. Alt und Neu kontrastieren hier eindrücklich und belegen die Handwerkskunst der Pott-Generationen.

Nun geht es zur letzten Station der Produktion. Klirren, Rattern, Surren, Piepen – die Abfüllung. Heute werden Flaschen einer Kollegenbrauerei gefüllt, schließlich ist Pott′s im Münsterland der Platzhirsch bei den Bügelverschlüssen.
Nach der 20-minütigen Sterilisation der Flaschen begutachten Mitarbeiter am Förderband die Verschlüsse, zusätzlich kontrolliert eine Maschine mit Infraroterkennung die Unversehrtheit der Flaschen, von denen jede einzelne mehrfach fotografiert wird, um Beschädigungen auszuschließen. Würden Wasser- oder Reinigungsmittelreste erkannt, würde das Förderband sofort stoppen.

Wie moderne Kunstwerke wirken die Flaschen, als ein Ultraschallgerät sie in Schwingung versetzt und sich Kohlensäurebläschen wie Spinnweben durch das Bier ziehen. Peter Wienstroer kreiert schmunzelnd ein kleines Spektakel. Das Ultraschallgerät kontrolliert nämlich die Verschlüsse. Seit 40 Jahren arbeitet der Braumeister bei Pott′s und hat, sehr zu meiner Freude, immer noch den Schalk im Nacken.

Wienstroer lockert einen Verschluss und schon beginnt es zu zischeln. Ein schmaler Strahl spritzt aus dem Flaschenhals, verwandelt sich aber in Sekundenschnelle in eine schaumige Fontäne. „Das sollte also eigentlich nicht passieren“, sagt der Braumeister lächelnd und erklärt: „Es würde aber passieren, wenn die Spannung des Bügelverschlusses nachgelassen hat. Solche Flaschen werden automatisch aussortiert.“

Wir gehen weiter vorbei an der Etikettierung, nach der die Flaschen in die gereinigten Kisten gestellt werden, vorbei an der Fassabfüllung und ins Lager. Kiste an Kiste stapelt sich meterhoch, Lastwagen stehen zur Auslieferung bereit. Vier bis fünf Monate beträgt das Mindesthaltbarkeitsdatum ab jetzt – ebenfalls ein Zugeständnis an Regionalität und Frische.

Zum Abschluss des spannenden Rundgangs begleitet mich Jörg Pott ins angegliederte private Brau- und Backhaus, geleitet von Metzgermeister Friedhelm Forthaus. Auch das gehört zum Konzept der gastlichen Brauerei: Wer so viel über Bier erfahren hat, möchte sich meist ein eigenes Bild machen, wobei die Getränke in Begleitung von Spezialitäten wie „Omas Schmalzstulle“, Hausmacher-Sommerwurst auf frisch gebackenem Landbierbrot oder Spanferkel serviert werden.

Es darf auch in die Backstube gespäht werden.

Natürlich setzt auch Metzgermeister Forthaus den Transparenz-Gedanken um. Die gläserne Bäckerei und Metzgerei sind ein weiteres Highlight des Rundgangs. Regionale Leckerbissen werden vor den Augen der Gäste hergestellt und anschließend in der reich bestückten Wursttheke oder Kuchen-Vitrine präsentiert.
Und so mischt sich der feine Malz-Geruch am Ende des Besuchs mit Nuancen von Grünkohl, Grillschinken und Gebackenem aus dem Königswinterofen. Großartig!

Weitere Eindrücke:

Pott′s Brauerei GmbH
In der Geist 120
59302 Oelde

Tel.: 02522-93320
Fax: 02522-9332280
 

Text/Fotos: Miriam Lethmate

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