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Pflaumenhof Stemich

Das entfernte Summen hunderter Bienen wird  untermalt vom Wind, der behutsam an Blüten, Blättern und Ästen entlanggleitet und die langen Reihen schlanker Bäume in seinem Rhythmus tanzen lässt.

Behütet vom kornblumenblauen Himmel strecken aberhunderte Pflaumenbäume auf den Hügeln und Wiesen des Bauernhofs ihre neu erblühte weiße Pracht in Richtung Sonne. Weiter als das Auge reicht, erstrecken sie sich rund um den Pflaumenhof Stemich in Oelde-Stromberg. Hier oben auf dem kleinen Hügel inmitten der teilweise über 30 Jahre alten Obstbäume vergisst man den Alltag, denn einen solchen Anblick erhält man nicht oft.

Stromberg ist bekannt für seine violetten Früchte, die auf mehreren Höfen im Dorf angebaut werden. Die meisten gehören zur Schutzgemeinschaft Stromberger Pflaume e.V.

Die Legende kann sich nicht festlegen – zwischen 15.000 und 18.000 Pflaumen- und Zwetschgenbäume soll es in dem historischen Burgdorf geben. Diese Rechnung malt ein wunderhübsches Bild in Weiß, Lila und Grün: Stromberg hat mindestens drei Mal so viele Bäume wie Einwohner.

Die Frucht, die eigentlich eine sehr süße, saftige Zwetschge ist, wird bereits seit etwa 1790 hier angebaut. Es heißt, der Amtsschreiber Ludwig Niedieck habe sie von einer Reise nach Südfrankreich mit in die Heimat gebracht, wo sie dann auf den Südhängen des Burgbergs angepflanzt wurde. Dies erfahre ich von Familie Stemich, bei der ich heute gemeinsam mit meinem Kollegen Philipp, der all die wunderbaren Bilder gemacht hat, zu Gast sein darf. So hatte ich den Luxus, einfach nur glückselig über die Pflaumenhügel zu schlendern.

Marion und Michael Stemich | Foto: Pflaumenhof Stemich

Seit 1870 wir die Hofstelle von der Familie bewirtschaftet. Obstbau in nun fünfter Generation: „Der Uropa meines Mannes hat damals angefangen und  wir leben jetzt sogar mit vier Generationen auf dem Hof. Stemichs im Alter von 3 bis zur Uroma mit 88“, sagt Marion Stemich lachend, als wir gemeinsam in Richtung Hofladen gehen. Dort werden die handverarbeiteten und -abgefüllten Produkte ganzjährig angeboten, mit Hochsaison von etwa Mitte Juli bis Ende September zur Erntezeit. Gemeinsam mit den Nachbarn vom Hof Surmann haben Marion und Michael Stemich 2021 die Burgfrucht GbR gegründet. „Besser zusammen, als in Konkurrenz“ war die schöne Idee dahinter, die auch dazu führte, dass Michael Stemich zu diesem Zeitpunkt den Hof von seinem Vater übernahm. Allerdings sind die Senioren erst 60 – da wird immer noch kräftig mitangepackt.

Schaut man sich den zwölf Hektar großen Betrieb an, ist kaum zu glauben, dass die Familie diesen im Nebenerwerb bewirtschaftet. Michael Stemich ist hauptberuflich Landschaftsgärtnermeister, was natürlich nicht unerheblich zum Erfolg beiträgt. Dass er den Hof eines Tages übernehmen würde, entsprang dem Wunsch, nicht seinem Pflichtgefühl. Michael Stemich sagt voller Überzeugung: „Mein Herz schlägt für Zuhause.“ Und natürlich für die Pflaume. Besonders für die Stromberger Pflaume g.U., das ist die „geschützte Ursprungsbezeichnung“, welche nur die in Stromberg geernteten Früchte seit 2013 tragen dürfen.

So wissen die Kunden, dass Erzeugung, Verarbeitung und Herstellung in genau diesem geographischen Gebiet nach anerkanntem und festgelegtem Verfahren erfolgen. Zusätzlich sind Stemichs Pflaumenprodukte mit dem Münsterland-Siegel ausgezeichnet, welches Lebensmittel tragen, die nachweislich im Münsterland geerntet und hergestellt wurden.

Im Hofladen und Onlineshop findet man Köstliches wie Pflaumen-Mus, Pflaumen-Meerrettich, Pflaumen-Ketchup, Pflaumen-Senf oder Pflaumen-Chutney, entwickelt vom angestellten Koch. In der Betriebsküche sammelt das Team zusammen Ideen, kocht, testet, verfeinert, bis alle rundum überzeugt sind. Die Nachfrage ist groß und gibt ihnen Recht: Mittlerweile können sie 20 Produkte im „Burgfrucht“-Sortiment anbieten, die alle per Handabfüllung hergestellt werden.

„Wir möchten die Besonderheit unserer Produkte zeigen. Es gibt sie nur in Hofläden, nicht im Einzelhandel. So können wir die Wertschätzung und Wertschöpfung an die Endverbraucher zurückgeben“, sagt Marion Stemich.

Echte Handarbeit bestimmt die Ernte der frühen Sorten wie Katinka oder Hanita, die oben am Hang 150 Meter höher stehen und täglich etwa drei Stunden mehr Sonne bekommen. „Diese Pflaumen werden alle per Hand gepflückt, man sucht jeden Tag die reifen. Die Stromberger Pflaumen hat meine Schwiegermutter vor 36 Jahren übrigens auch per Hand aufgelesen. Da saß man tatsächlich auf Knien und rüttelte jeden Baum einzeln“, erzählt Marion Stemich. Familie, Freunde, natürlich auch die Kinder, halfen bei der Ernte, sammelten die herabgeschüttelten Früchte von den Folien auf. Heute läuft die Haupternte maschinell.

Aber wie sieht so ein Sommertag aus? Die eigentliche Kernfrage ist ja: Wie schafft man das alles? „Das Wichtigste: Mein Mann nimmt sich für die Stromberger Ernte vier Wochen Urlaub“, sagt Marion Stemich lachend. Der Tag startet dann um 6 Uhr und erstmal müssen die Kleinen (3 und 6) versorgt werden. Dafür hat Marion Stemich dieses Jahr erstmals ein Au-Pair engagiert, damit sie selber allen und allem gerecht werden kann.

Michael Stemich und fünf rumänische Erntearbeiter sind ab 7:30 Uhr draußen mit den Vorbereitungen beschäftigt, damit es um acht losgehen kann. Bis mittags sind die Männer dann mit ihren Maschinen auf den Plantagen unterwegs, denn die Händler werden noch am selben Tag mit Frischware beliefert. Hier kommt Marion Stemich ins Spiel, die im Büro den kompletten Vertrieb managt und mit ihrer Schwiegermutter den Hofladen betreut. Der muss in der Ernte schließlich täglich geöffnet sein.

Es werden also Touren zu Händlern, Marktbeschickern, Hofläden geplant. Wichtig sind auch das Wiegen und Kommissionieren der Ware, zudem das Bestücken des eigenen Ladens.

Nach dem Mittagessen geht es dann für alle weiter, bei der Ernte bis etwa 16 Uhr, im Hofladen bis 18 Uhr. Zwischendurch ein heißer Kaffee, Abendbrot – und dann die Füße in kaltes Wasser? Mitnichten! Die Sortierung geht weiter, damit auch früh am nächsten Morgen Kunden beliefert werden können. Eventuell muss auch mal eine Maschine repariert werden, es läuft ja nicht immer alles wie am Schnürchen. Abends gegen neun dürfen alle die Füße hochlegen und gönnen sich hoffentlich auch mal einen Pflaumenschnaps …

Die Pflaumen werden übrigens alle verwendet. Rund 15 Tonnen wandern pro Saison in die Tiefkühlung (wertvoller Tipp: immer erst entsteinen), um daraus im Jahresverlauf vor allem die Burgfrucht-Produkte zu zaubern. Eingefrorene Pflaumen sind überraschenderweise oft noch süßer und enthalten mehr Saft. Der Oechsle-Wert, also die Zuckerkonzentration in der Frucht, sei bei der Stromberger Pflaume in guten Jahren mit 95 bis 98 Prozent sehr hoch, sagt Marion Stemich. Dies sei vergleichbar mit der Weinlese.

Getragen durch altes Handwerk und weitergegebenes Wissen läuft die Erntezeit also traditionell, während im Hintergrund neue Ideen entwickelt werden. Wunderbares wie der Stromberger Pflaumenkäse entsteht dadurch. Oder ein Picknickplatz mit Blick auf das weiße Blütenmeer des Hofes, gelegen direkt am Stromberger Pflaumenwanderweg. Bei den Münsterländer Picknicktagen im Juni lädt Familie Stemich hier zu zwei köstlichen Veranstaltungen ein. Sobald ich mein Dinkel-Pflaumenbrot gebacken und den Stromberger Rumtopf vertilgt habe, werde ich euch davon berichten!

Öffnungszeiten Hofladen:

Fotos: Münsterland e.V./Philipp Fölting

Text: Miriam Lethmate

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