Ich gebe ehrlich zu: Der Beruf des Fleischermeisters wäre absolut nichts für mich. Umso wichtiger ist es deshalb aber, hinzusehen. Dorthin, wo Tiere nicht in Massenabfertigung geschlachtet werden. Dorthin, wo eine ganze Familie mit handwerklichem Können hinter den Erzeugnissen steht. Und dorthin, wo sowohl das Tierwohl, als auch die Qualität der Produkte im Vordergrund stehen.
Bei der Feinkostfleischerei Hidding in Nordwalde geschieht all dies und Metzgermeister Thomas Hidding hat mich eingeladen, hinter die Kulissen zu schauen. Und ja, auch dorthin, wo es die meisten Verbraucher trotz Fleischkonsums nicht hinziehen würde: in die Räume des Schlachthauses.
Zwar wollen viele Menschen wissen, wo ihr Steak oder der Schinken herkommen – mit dem Vorgang an sich möchten wohl aber die wenigsten konfrontiert werden. Metzgermeister Thomas Hidding hat jedoch eine nachvollziehbare Einstellung: „Wir haben immer das Tierwohl im Auge. Es liegt in unserem Interesse, dass das Tier so wenig Stress wie möglich hat. Das macht sich dann auch deutlich bei der Fleischqualität bemerkbar.“
Die Tiere kommen alle aus der Region: Altenberge, Emsdetten, Havixbeck, Billerbeck – Punkt. Kein Anfahrtsweg ist länger als 20 Kilometer. Alle Tiere kommen von nur fünf Landwirten. Zwar sind dies keine Bio-Betriebe, doch die Schweine und Rinder werden alle auf kleinen, Inhaber-geführten Höfen aufgezogen, mit denen die Fleischerei im stetigen Kontakt ist, beispielsweise der Hof Schulze Westerhoff. Dort wird die alte, fast ausgestorbene Rasse der Bunten Bentheimer Schweine gezüchtet, eine ganz besondere Münsterländer Spezialität.
Diese teilweise Jahrzehnte überdauernde Zusammenarbeit mit einer Handvoll ausgewählter Landwirte steht für Vertrauen und Transparenz, so ist die Familie Große-Besten aus Nordwalde seit sage und schreibe 50 Jahren Geschäftspartner der Feinkostfleischerei – die mal ganz bescheiden angefangen hat.
1931 gründeten Thomas Hiddings Großeltern ihren 60 Quadratmeter großen Laden mitten im Dorfkern von Nordwalde. Dort liefen Produktion und Verkauf bis 2009. Die Familienwohnung befand sich ganz klassisch überm Ladenlokal, die drei Kinder verdienten sich als Teenies in den Ferien ein bisschen Taschengeld bei Mama und Papa dazu. Nachdem Thomas Hidding bereits mit 18 Jahren seinen Meisterbrief in der Tasche hatte, setzte er ein BWL-Studium oben drauf. Mit seinen Schwestern Andrea Runge und Christiane Hidding forcierte er ab 2009 die Vergrößerung.
Die beiden Schwestern waren ebenfalls immer im elterlichen Betrieb tätig, sind beide Fleischermeisterinnen. Andrea Runge – sie leitet die Fleisch-, Wurst- und Schinken-Manufaktur in Münster – hat ebenfalls BWL studiert, Christiane Hidding ist Verkaufsleiterin. Ein Fachkräftemangel war innerhalb der Familie Hidding also niemals Thema, im Gegenteil: „Das war so der jugendliche Wille, Gas zu geben und etwas zu verändern. Aber trotzdem wollten wir unseren Wurzeln treu bleiben“, erklärt der 33-jährige Chef. Hubertus und Elisabeth Hidding unterstützen auch jetzt im Rentenalter ihre Kinder gerne weiterhin und ihr Erfahrungsschatz aus 40 Jahren ist natürlich hoch geschätzt.
„Wir Kinder haben ja von der alten Garde vorgelebt bekommen, dass dieser Beruf Spaß macht. Für mich war eigentlich immer klar, dass ich in den Betrieb zurückkomme.“
Trotzdem krempelte er diesen erstmal um: Wachstum von im Stammgeschäft 600 auf 1500 Quadratmeter Produktionsfläche in der Feldbauerschaft, zusätzlich der Ausbau des Party- und Cateringservices und vor allem der Filial-Aufbau an weiteren Standorten. Nienberge, Emsdetten, Steinfurt, Münster-Mauritz, dann Rheine. Nicht zu vergessen das besondere Aushängeschild, die Fleisch-, Wurst- und Schinken-Manufaktur in Münster an der Rothenburg. Und diesen Sommer steht noch der Umzug des von Opa Hidding geründeten Geschäftes an. Allerdings nur zwei Häuser weiter. Man bleibt den Wurzeln eben treu.
Und genau das macht den Familienbetrieb aus. Hier gibt es keine industrielle Produktion, da würde sich allen Inhabern wortwörtlich der Magen umdrehen. Es wird nach eigenen, alten Rezepturen gearbeitet, außerdem wird der Einsatz von Zusatzstoffen auf ein Minimum reduziert. Und vor allem reagiere man auf Kundenwünsche: So gibt es zum Beispiel Produkte, bei denen auf Glutamat, Laktose und alle anderen deklatrationspflichtigen Allergene und Zusatzstoffe gänzlich verzichtet wird. Die Ladentheke samt kritischer Nachfragen und individueller Wünsche sei daher eine der größten Innovationsquellen für den Betrieb.
Jeder Produktionsschritt erfolgt innerhalb der Firma und somit im Münsterland, beschäftigt werden ausschließlich eigene, gelernte Kräfte. Dies sei besonders bei der Schlachtung sehr wichtig, sagt Thomas Hidding. Denn für die elektrische Betäubung der Tiere und das Abstechen brauchen die Mitarbeiter eine Sachkundebescheinigung. Hidding weiß die hohen Auflagen und turnusmäßigen Prüfungen auch der Geräte zu schätzen.
Alles klar, das muss ich mir anschauen. Ehrlich gesagt bin ich aber froh, dass mein Besuch auf einen Dienstag fällt. Denn Schlachttag ist montags. Wohl gemerkt: Geschlachtet wird nur ein Mal pro Woche, mit einem Transport werden maximal 28 Schweine geliefert, so dass sie auf dem Anhänger viel Platz haben.
Und nun wird meine Schilderung recht plastisch.
Nach der Anlieferung sollen sich die Schweine im Wartestall erholen, denn der nasse Boden ist für die Tiere angenehm. Um sie zu schonen, werden sie einzeln und in einer separaten Box mit einer so genannten Zange elektrisch betäubt. Ein Tierarzt ist bei jedem Vorgang anwesend. Nach dem Abstechen werden die Tiere entblutet, die Borsten und die oberste Hautschicht werden abgekratzt und abgeflämmt, was auch gleichzeitig für eine Desinfektion sorgt. Wichtig ist auch, dass die Schweine- und Rinderhälften gestempelt und damit für lebensmitteltauglich erklärt werden.
„Die eigene Schlachtung ist ein Alleinstellungsmerkmal für uns, denn so können wir unser Fachwissen anwenden. Das ist nicht unbedingt in jedem Betrieb so. Das handwerkliche Schlachten hat aber sehr großen Einfluss auf die Qualität“, erklärt Thomas Hidding, während wir an den größeren Boxen vorbeigehen, in der die Rinder geschlachtet werden. Die Rinderhälften benötigen dann eine gewisse Abhängephase, um perfekt durchgekühlt zu sein und werden daher donnerstags verarbeitet.
Von sechs Grad wird die Temperatur schrittweise auf vier, dann auf ein Grad heruntergefahren, so dass das Fleisch schonend und langsam mehr Wasser verlieren kann. So ist laut Hidding eine bessere Konservierung gegeben, da der langsame, aber hohe Wasserverlust den Geschmack des Fleisches erhöht. Außerdem: „Wasser ist auch ein Keimträger. Die Qualität wird einfach besser, je mehr Wasser dem Fleisch schonend entzogen wird.“
Bei den Schweinen kann zügiger los gelegt werden, das Fleisch wird noch warm, etwa drei Stunden nach der Schlachtung, bearbeitet. Brühwurst, Braunschweiger Teewurst, Streichwurst, Mettendchen, Zwiebelmettwurst, Bratwürste – alles wird montags und dienstags in der benachbarten Produktionsstätte und Wurstküche gefertigt.
Drei Mitarbeiter sind gerade dabei, Wurst zu produzieren, ein anderer lädt Tabletts mit panierten Schnitzeln auf einen Wagen und in der Küche werden Eintöpfe zubereitet. Schließlich beliefert die Feinkostfleischerei auch Kantinen wie die der Kreishandwerkerschaft in Rheine oder des Coesfelder Schulzentrums. Aus dem Wunsch nach Wachstum unter Beibehaltung der alten Werte haben Thomas Hidding und seine Schwestern ihr Erfolgsrezept gemacht.
Und Innovationen gehören stets dazu, so sei zum Schluss noch ein echtes Schmankerl erwähnt: die Schinkenschokolade. Ja, richtig. Chili oder Pfeffer kann ja mittlerweile jeder. Aber echten Westfälischen Knochenschinken, schön kross und würzig, in Schokolade zu tauchen – dazu gehört schon Pioniergeist. Aber der ist ja reichlich vorhanden und die starke Nachfrage nach der „Halb und Halb“-Schoki gibt den jungen Hidding-Köpfen Recht. Da kommt bestimmt noch was hinterher, spätestens wohl zur WM im Sommer…
Feinkostfleischerei Hidding GmbH & Co. KG
Feldbauerschaft 26
48356 Nordwalde
Telefon: +49 (0)25 73 – 958990
Fax: +49 (0)25 73 – 9589920
Anfahrt Geschäft Nordwalde:
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Text/Fotos: Miriam Lethmate