Spargel gehört zum Münsterland. Die meisten Einwohner lieben ihn und fiebern der Spargelsaison entgegen. Fährt man im Frühling durchs Münsterland, lenkt die auf den Folien glitzernde Sonne nicht selten den Blick auf die weitläufigen Felder. Was aber, wenn man neu hier ist? Wenn man erst ein, vielleicht zwei Mal in den Genuss kam, unsere Spargelsaison mitzuerleben? Nun ja, im Fall von Estelle Beck spiegelt sich die Freude über die neue Saison in herzlichem Lächeln, in gespanntem Zuhören und im handfesten Zupacken auf dem Feld.
Die 36-Jährige kreiert mit viel Herz ihren jungen Food-Blog gutbeck.com und lebt erst seit 2019 in der Region. Es gibt hier also nicht nur kulinarisch noch sehr viel für Estelle zu entdecken und daher freue ich mich umso mehr, dass ich sie heute bei ihrer Exklusiv-Tour begleiten darf.
Zum Thema Spargel hat sich die gebürtige Südafrikanerin echte Experten ausgesucht: Familie Bäcker vom Erdbeer- und Spargelhof in Münster-Gelmer, deren Produkte mit dem Münsterland-Siegel ausgezeichnet sind. Auf 50 Hektar Fläche in und um Münster wird das Gemüse seit 1983 angebaut. Einige Jahre später kamen Erdbeeren hinzu.
Stephan Bäcker leitet den Betrieb seit 2017 – stets unterstützt von der gesamten Familie. Seine Schwester Melanie Bäcker führt Estelle und mich zuerst zu einem hübschen Fachwerkhaus, das den Hofladen beheimatet.
In rustikalen Holzregalen reihen sich Säfte, Spirituosen, Eier, Kartoffeln, Mehle, Konfitüren, Honig, eingewecktes Gemüse aneinander. Alles stammt von Höfen und Herstellern aus der nahen Umgebung.
Das Wichtigste, der Spargel natürlich, befindet sich nach Größen sortiert in mehreren Kisten hinter der Theke. Zusätzlicher Glücksfall: Unter Glas haben bereits einige tapfere Erdbeeren den kalten Aprilnächten die Stirn geboten und liegen nun bereit. Mmmhh, sie sind schon süß, saftig rot und lecker …
Doch der Spargel muss sich nicht hinter den roten Früchtchen verstecken, schließlich hat auch er Farbe und unterschiedlichen Geschmack zu bieten. Tatsächlich nämlich, so erfahren wir von Melanie Bäcker, würde jede Spargelpflanze irgendwann grün, eben auch die weiße. Allein, es gibt ja die Abdeckung, die die Gemüter der Münsterländer besänftigt. Weißer Spargel ist nämlich weiterhin das Spitzenprodukt an den Verkaufsständen, wenn auch der würzigere grüne Geselle in den vergangenen Jahren aufholen konnte.
Zum ersten Mal begegnen Estelle und ich heute dem satt violetten Purpurspargel, der sowohl jeden Teller, als auch jedes Stillleben bereichern würde. Die auffällige Farbe kommt durch die Sonneneinstrahlung, vor der der weiße Spargel ja geschützt wird. Auch geschmacklich kommt er dem grünen Spargel näher, kann ebenso roh, z.B. im Salat, oder gebraten genossen werden. Kochen sollte man ihn nur, wenn man keinen Wert auf die ungewöhnliche Farbe legt, denn diese büßt der Purpurspargel in heißem Wasser wieder ein.
Während wir über die verschiedenen Zucht- und Zubereitungsformen sprechen, schweift mein Blick wehmütig nach links. Dort prangen die roten Erdbeer-Sitzecken auf einer Empore vor dem großen Schlemmerzelt. Auch dieses Jahr werden hier wohl keine Gäste Spargelmenüs genießen können. Die Bäckers wären vorbereitet, doch die Spargelsaison geht nur bis Ende Juni und Melanie Bäcker ist sich nicht sicher, ob die Gastronomie bis dahin wieder eröffnen darf. Die Hoffnung ist natürlich da.
Zum Glück kann ja auch jeder Hobbykoch das leckere Gemüse selbst zubereiten. Auf dem münsterschen Wochenmarkt gibt´s am Stand sogar eine Schälmaschine.
Wobei wir unweigerlich auf den Preis zu sprechen kommen: 15,95 Euro pro Kilo zu Beginn der Saison im kalten April. Das erscheint auf den ersten Blick happig – doch man muss wie immer die Bedingungen betrachten.
„Unsere Saisonarbeiter gehen bei Schnee, Regen und Hagel raus aufs Feld. Gerade bei Kälte kann man nicht in hohem Tempo ernten. Ich habe jeden Morgen einen Heidenrespekt davor“, sagt Stephan Bäcker.
Abgesehen von der Arbeit auf dem Feld, für die die Arbeiter aus Rumänien und Polen natürlich den Mindestlohn erhalten, kommen dieses Jahr erneut die Coronaschutzmaßnahmen hinzu.
Nach Ankunft gehen die Mitarbeiter erstmal fünf Tage in eigens aufgebaute Quarantäne-Unterkünfte. Natürlich wird auch getestet, mindestens zwei Mal pro Woche. So kommen für die rund 150 Mitarbeiter, so überschlägt es Melanie Bäcker, in dieser Saison etwa zehn- bis fünfzehntausend Euro Zusatzkosten auf den Betrieb zu. Wenn der Spargel dann also zu Anfang, wenn auch noch nicht so viel gewachsen ist, ein, zwei Euro mehr kostet als in normalen Zeiten, sollten die Verbraucher sich all der Hintergründe bewusst sein.
Jetzt sind wir also gespannt: Dürfen wir einen Blick auf die Felder werfen? „Ja, sicher“, sagt Stephan Bäcker lachend und macht sich mit uns auf den Weg nach Sprakel. Die 50 Hektar, meist gepachtet, umgeben den Hof Bäcker natürlich nicht, sondern verteilen sich auf die Umgebung: Wir sprechen hier von der Größe von etwa 70 Fußballfeldern.
Nach der Ankunft holt Stephan Bäcker sein Spargelmesser hervor, das ein wenig an einen Schuhlöffel erinnert. Lustigerweise kann man sich es ähnlich vorstellen, denn das Ende des Messers drückt die Erde beiseite, so wie der Schuhlöffel den Schuh dehnt. Während die Ferse reinrutscht, rutscht der Spargel sozusagen nach oben raus. Soweit meine laienhafte Theorie beim Zusehen …
Während Estelle das Spargelmesser gleichermaßen grazil wie kräftig in die trockene Erde drückt – man merkt, sie ist Ärztin – und nach etwas Hin- und Herruckeln eine Stange ans Tageslicht befördert, habe ich Schwierigkeiten, mit dem Messer das Ende des Spargels in der Erde zu ertasten. Schwupps, ist die Stange auch schon in der Mitte durchgebrochen. Es ist wie meistens im Leben: Bis es aussieht wie ein Spaziergang, bedarf es einiger Übung.
Beim grünen Spargel wird es einfacher, da er schon vorwitzig aus der Erde lugt. Nach kurzer Zeit hält Estelle einen hübschen Strauß in Weiß, Grün und Violett in Händen. „Das sieht doch schon nach einem guten Mittagessen aus“, freut sich die Hobbyköchin, die die Spargelrezepte natürlich auf ihrem Blog veröffentlicht.
Estelle hatte schon beim anfänglichen Schlendern durch den Hofladen sofort Rezeptideen, die sie nun wochenlang weiterentwickeln kann. Bis zum „Spargelsilvester“, das die Münsterländer natürlich kennen. Für Estelle gibt es hier übrigens die perfekte Eselsbrücke: Sie stammt aus Johannesburg und die Spargelsaison endet mit dem Johannistag. Wenn das mal nicht passt.
Hier noch ein paar Spargel-Facts:
- Die schwarze Folie auf den Feldern wärmt den Spargel, die weiße kühlt die Erde aus.
- Die Folie ist extrem nachhaltig, denn sie kann zehn bis fünfzehn Jahre genutzt werden.
- Später werden die Folien zu Pellets verarbeitet, aus denen wieder Folie entsteht.
- Der angepflanzte Spargel kann etwa zehn Jahre auf dem Feld verbleiben.
- Der regionale Spargel kommt so gut wie nie mit Pflanzenschutzmitteln in Berührung: Während der Erntezeit ist dies komplett verboten.
- Der Spargel, den wir essen, ist die Sprosse des unterirdischen Wurzelgewächses.
EXTRA-TIPP: Wenn du hier schaust, findest du eine tolle Hofladen-Übersicht aus der ganzen Region, die der Münsterland e.V. zusammengestellt hat. Dort kannst du auch nach dem nächstgelegenen Spargelbauern suchen.
Text und Fotos: Miriam Lethmate