Vorbei an der ruhig fließenden Werse – und schon sind wir draußen auf dem Land. Direkt vor den Toren der Stadt Münster inmitten der grünen Landschaft Richtung Handorf liegt der Milchhof Große Kintrup. Beinahe ein Münsterländer Urgestein, wenn man bedenkt, dass es den Hof schon im Jahr 1430 gegeben hat. Heute lässt sich Leonhard Große Kintrup bei der Arbeit über die Schulter schauen und zeigt uns den Hof, seine Kühe und seine Molkerei. Ob Milch, Joghurt, Quark oder Molke: Die Fahrrad fahrende Kuh auf dem Logo des Milchhofs kennen wir längst, denn der Hof Große Kintrup verkauft seine Produkte in vielen Supermärkten in und um Münster, in den Mensen und Bistros der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und vielen münsterschen Cafés und Restaurants. Zudem gibt es einen Online-Shop, einen Automaten auf dem Hof und den gefleckten Milchlieferwagen, der Gastronomen und Privatleute gleichermaßen bedient.
Rund 200 Kühe hat Leonhard Große Kintrup. Das war nicht immer so. „Als ich den Hof übernommen habe, war es noch ein Mischbetrieb. Aber ich habe mich für die Milchviehhaltung entschieden“, sagt er. Schweine und Hühner seien nicht sein Ding gewesen. Kühe hätten etwas Besonderes. „Viele haben einen ganz eigenen Charakter. Es gibt sowohl Klassenclowns als auch Streber unter ihnen“, erzählt er uns.
Wir beginnen mit unserer Führung an der hofeigenen Molkerei. Sie ist seit dem Jahr 2000 in Betrieb, so kann der größte Teil der Milch direkt auf dem Hof zu den unterschiedlichen Milchprodukten frisch weiterverarbeitet werden. „Das ist sehr wichtig für uns“, sagt Leonhard Große Kintrup. „Wir können eine hohe Qualität anbieten und eine schonendere Verarbeitung als es häufig bei Großmolkereien der Fall ist. Zudem haben wir einen engen Kontakt zu unseren Kunden und bekommen direktes Feedback. Gleichzeitig sind wir dem enormen Preisdruck, der innerhalb der Branche herrscht, nicht so stark ausgesetzt.“ Obwohl wir uns früh auf den Weg gemacht habe, ist die Milch an diesem Morgen bereits abgefüllt. „Da hättet ihr früher aufstehen müssen. Die erste Schicht beginnt morgens um 5 Uhr“, sagt Molkereimeister Mathias Schlingmann und lacht. Aber später werde noch Joghurt hergestellt.
Also verlassen wir die Molkerei erst einmal und gehen vorbei an den jungen Kälbern in den Stall. Der Milchhof hat zwei große offene Boxenlaufställe, in denen sich die Tiere in einem abgegrenzten Bereich frei bewegen können und Liegeplätze zur Verfügung stehen. Der neueste Stall ist erst 2011 gebaut worden und verfügt daher über modernste Ausstattungen. „Wir haben bei dem neuen Stall sehr darauf geachtet, dass die Kühe ausreichend Platz haben, um sich zu bewegen und sich auch einmal aus dem Weg zu gehen“, erklärt uns Leonhard Große Kintrup. Kühe haben nämlich sehr komplexe soziale Gefüge mit festgelegten Rangordnungen. Zudem halten Kühe gerne einen gewissen Abstand zu ihren Artgenossen ein.
Eine weitere Besonderheit des neuen Kuhstalls ist die Besucherterrasse, die über eine Treppe zu erreichen ist. Von hier oben hat man einen Ausblick über den ganzen Stall. Schautafeln beschreiben, was wo zu sehen ist. Aber wir haben ja den Experten dabei. Wir sehen kleine Roboter, die regelmäßig die Gänge reinigen, und einen großen Roboter, der das Futter verteilt. „Hier vorne ist der Bereich für die Kühe, die bald kalben. Sie werden nicht mehr gemolken und haben so ihre Ruhe“, erklärt Leonhard Große Kintrup und zeigt dann auf die Wiese. „Die Kühe da draußen sind fast alle in der Trockenstellzeit.“ Das ist der Zyklus, den Milchkühe durchlaufen. Wenn sie etwa zwei Jahre alt sind, werden sie das erste Mal trächtig. Nachdem sie gekalbt haben, geben sie etwa elf Monate Milch und werden gemolken. Etwa 33 Liter pro Tag kommen pro Kuh zusammen. Nach einer gewissen Zeit lässt die Milchmenge nach. Dann wird die Kuh trockengestellt, also nicht mehr gemolken, und erneut trächtig. So bringt eine Kuh alle etwa 14 Monate ein Kalb zur Welt.
Wir gehen runter in den Stall. Eine Kuh lässt sich von einer großen Bürstenrolle den Rücken massieren. Am Melkstand herrscht währenddessen reger Betrieb. Gleich mehrere Kühe warten. Denn auf dem Hof Große Kintrup entscheiden sie selbst, wann und ob sie gerade fressen, liegen oder gemolken werden wollen. Ein elektronisches Halsband hilft dabei, den Überblick zu behalten. Dank der Technik kann der Landwirt immer genau sehen, welche Kuh wann beim Melken war, wie lange es gedauert hat und wieviel Milch sie gegeben hat. Zudem werden Wiederkaudauer und Bewegungszeiten festgehalten. „Das ist sehr wichtig für uns. Denn so können wir auch feststellen, ob es einer Kuh vielleicht einmal nicht so gut geht. Die Gesundheit der Tiere ist wesentlich für uns“, sagt Leonhard Große Kintrup. Während des Melkens bekommen die Kühe Kraftfutter. „Das fressen sie sehr gerne. Man kann sich das ein bisschen wie Schokolade vorstellen“, erklärt der Landwirt. So stehen die Tiere besonders entspannt im Melkstand. Manchmal kommt eine Kuh auch nur wegen des leckeren Futters in den Melkstand. Doch das erkennt die Technik sofort und die Kuh wird automatisch wieder herausgeführt, denn überfressen soll sie sich nicht. Eine Kuh frisst übrigens 50 bis 60 Kilo Futter am Tag und trinkt etwa 100 Liter Wasser.
Nun gehen wir raus auf die Weide. Einige Kühe laufen uns schon entgegen. Besonders das Allgäuer Braunvieh ist sehr neugierig. Daneben leben auf dem Hof noch die typisch münsterländischen rotgefleckten Kühe und auch schwarzweiße Holstein-Kühe.
Während wir so plaudern, bekommen wir gar nicht mit, dass weiter hinten auf der Wiese eine Kuh gekalbt hat. Als wir das Kalb entdecken, liegt es noch auf der Wiese. Doch schon kurz darauf macht es die ersten wackeligen Aufstehversuche. Normalerweise kommen die Kälbchen im Stall zur Welt, aber eine Geburt auf der Wiese gibt es auch schon mal. Leonhard Große Kintrup betrachtet kurz das Kalb, dann sagt er: „Es ist ein Bulle.“ Damit ist klar: Das Kalb wird, anders als die weiblichen Tiere nicht auf dem Milchhof bleiben, sondern nach einiger Zeit auf einen Masthof umziehen. Leonhard Große Kintrup sieht das sehr nüchtern. „Wir betreiben keine Schmusetierhaltung, sondern halten Nutztiere und stellen Lebensmittel her.“ Seine Milchkühe werden im Schnitt sieben Jahre alt. Das ist noch lange nicht das Alter, was eine Kuh maximal erreichen kann. Aber ein Milchhof ist eben auch ein Wirtschaftsunternehmen und wenn eine Kuh nicht mehr tragend werden kann, gibt sie keine Milch mehr und bringt auf dem Hof keine Leistung mehr.
Wir verlassen die Wiese und machen uns wieder auf den Weg zur Molkerei. Auf die Frage, ob alle Tiere einen Namen haben, lacht der Landwirt. „Ja, tatsächlich hat jede Kuh einen Namen. Besonders gerne werden die Namen von Kindern, zum Beispiel von den umliegenden Kindergärten vergeben.“
Eine Gruppe Radfahrer stoppt vor der Molkerei. Sie hat sich für eine Hofführung mit Leonhard Große Kintrup inklusive Verköstigung der Produkte angemeldet. Da machen wir natürlich mit. Wir probieren Joghurt, Molke, den westfälischen Klassiker „Stippmilch“ und Kakao direkt vor den großen Glasfenstern mit Blick in die Molkerei. Auf allen Produkten entdecken wir ein kleines Münsterland-Siegel, denn der Milchhof ist Mitglied im Netzwerk Münsterland Qualität. So können seine Kuden direkt sehen, dass diese Produkte “Made in Münsterland” sind. In der Molkerei füllen die Mitarbeiter gerade Joghurt ab. So endet unser Besuch, wo er begonnen hat- nur um viele spannende Eindrücke reicher.
Noch mehr Eindrücke vom Hof…
Was Regionalität und Nachhaltigkeit für den Milchhof Große Kintrup bedeutet, findet ihr hier.
Fotos: Maren Kuiter
Text: Joana Holthaus
Ein Kommentar Gib deinen ab