Bio-Imkerei gesammelt.net

Abseits der kleinen Straße sind es nur wenige Schritte den Hügel hinauf, bis sich der Blick auf die prächtige Bischofsmühle eröffnet. Der trutzige Backsteinbau ist das älteste Gebäude in Coesfeld mit erster urkundlicher Erwähnung im 13. Jahrhundert. Seit vielen Jahrhunderten ist es hier also das Zusammenspiel von Wasser und Natur, welches das Leben prägt. Der Honigbach erweckt die Gegend zum Leben – und selten war ein Name so passend. Denn der Bach ist Lebensader für eine wahre Oase, die den Bienen und der Imkerei „gesammelt.net“ von Marc Seesing und Birgit Conrad ein ideales Umfeld bietet.

Die Familie übernahm die Bischofsmühle und die dazugehörige Hofstelle von Marcs Großvater Heinrich Seesing, der letzte Müller des heute unter Denkmalschutz stehenden Bauwerks. Der Honigbach umgibt diese kleine Insel der Glückseligkeit, auf der die Imkerei gesammelt.net seit 2019 ihr Zuhause hat.

Als Birgit Conrad und Marc Seesing mich empfangen, stehen die Bäume in vollem Grün, prächtige Blüten schmücken die Büsche. Thymian, Katzenminze, verschiedene Wasserpflanzen geben den Bienen Nahrung, die während der heißen und trockenen Sommer so rar ist.

Denn die beiden Imker achten insbesondere darauf, ihren fleißigen Mitarbeiterinnen das ganze Jahr, abgesehen natürlich vom Winter, blühende Pflanzen zur Verfügung zu stellen. Diese Philosophie des gemeinsamen Arbeitens und Unterstützens mündet in der Tatsache, dass in der Imkerei gesammelt.net ausschließlich Bio-Honig produziert wird.

Dass Honig nicht gleich Honig ist, weiß man auch, wenn man sich nicht eingehend mit der Materie auseinandersetzt. Regionale Produkte wie dieser Honig, der natürlich auch mit dem Münsterland-Siegel ausgezeichnet ist, sind meiner Meinung nach immer anderen vorzuziehen. So kann man sicher sein, dass man ein möglichst ökologisches und nachhaltiges Produkt kauft. Zudem unterstützt die dauerhafte Bestäubung in der Region natürlich den Artenreichtum und die Pflanzenvielfalt, da die Bienen von Birgit Conrad und Marc Seesing ganzjährig an ihrem Standort leben dürfen.

Viele Teile der Beuten stellen die beiden Imker selber her.

Aufgepasst: Oftmals steht nur im Kleingedruckten, dass ein Honig eine Mischung aus EU- und nicht EU-Ländern ist. Das spricht natürlich nicht per se für eine mindere Qualität, doch genaue Herkunft, Inhaltsstoffe des Nektars, etwaige Behandlung der Bienen mit Antibiotika oder der Einsatz von Pestiziden auf den umliegenden Feldern sind für die Verbraucher nicht nachvollziehbar. Außerdem ist der Transport oft nicht nachhaltig.

Natürlich kann man auch bei regionalem Honig in Bio-Qualität nicht immer dafür sorgen, dass die Bienen konventioneller Landwirtschaft konsequent aus dem Weg gehen – gerade im Münsterland nicht. Allerdings, so lerne ich, müssen deshalb 50 Prozent der Fläche nicht konventionell bewirtschaftet sein, ökologische Weiden oder Naturschutzgebiete im Flugradius der Bienen liegen.

„Das Wachs und der Honig werden durch den Bio-Zertifizierer untersucht. Die Vorgaben sind da ganz genau“, sagt Marc Seesing. Die regionale Herkunft kann man z.B. über die Pollen erkennen, die in dem Honig enthalten sind.

Weitere Merkmale des Bio-Honigs sind die Verwendung von natürlichen Stoffen gegen Schädlinge wie die Varroa-Milbe oder die Tatsache, dass beim Zufüttern für den Winterbedarf nur Biozucker verwendet werden darf.

Während wir durch den parkartigen Garten hinter der Bischofsmühle in Richtung der Bienenkästen schlendern, erzählt Birgit Conrad, dass ihre Imkerei wegen des großen Flugradius‘ der einzelnen Bienenständen wohl der größte Bio-Flächenbewirtschafter im Münsterland sei. „Mit großer Wahrscheinlichkeit“, erklärt sie mit Blick auf die 150 Völker. Denn, das merke ich beim späteren Recherchieren, es ist quasi unmöglich, eine Liste von Bio-Imkereien im Münsterland ausfindig zu machen.

„Es gibt tatsächlich kein Register für Bio-Imkereien in Nordrhein-Westfalen. Ich kann Sie nur auf die einzelnen Bio-Verbände verweisen. Dort müsste gezielt nachgefragt werden“, schrieb dann auch auf Anfrage Dr. Marika Harz von der Landwirtschaftskammer NRW, Fachbereich Bienenkunde.

Da ist also noch Luft nach oben.

Birgit Conrad und Marc Seesing bei der Arbeit. Foto: Imkerei gesammelt.net

„Das Thema Imkern und Bienenkunde ist unglaublich reichhaltig“, sagt Marc Seesing, der seit 2014 als Referent u.a. für den Stadtbienen e.V. in Berlin tätig war. Er hat Imkerkurse in vielen Städten im deutschsprachigen Raum gegeben, um Bienenfreunden die vielen Details näherzubringen. Ob Bäcker, Architekten oder Studenten: Das Interesse am Imkern wächst immer noch stetig. So ging es auch Birgit Conrad, die in Berlin einen Kurs von Marc Seesing besuchte.

Das Stadtimkern haben beide mittlerweile aufgegeben, obwohl sie dieser Tätigkeit mit Inbrunst nachgingen. „Städte sind für Bienen enorm interessant. Gärten, Balkone, Bäume, Friedhöfe oder bepflanzte Dächer, in der Stadt finden sie leichter Nahrung. Die Städte bewässern außerdem viele Flächen, was in den heißen, trockenen Sommern sehr wichtig ist. Und im Frühling und Herbst speichert eine Stadt mehr Wärme als kahle Felder. Die Bienen können also morgens und abends etwa zwei Stunden länger fliegen“, lauten die spannenden Infos von Marc Seesing.

Doch große Bienenstände sowie das ganzjährige Bewirtschaften und Gestalten eines Standorts waren zu verführerisch, als dass sie das Projekt „Imkerei am Honigbach“ hätten ausschlagen zu können. Und so ging es von der Hauptstadt aufs Land, mitten in die vom NABU als „Naturoase“ ausgezeichnete Fläche um die Bischofsmühle in Coesfeld.

Zwei Dutzend Beuten – so werden die Behausungen der Bienen genannt – stehen am äußeren Rand des Grundstücks. Das Paar pflegt diese in seiner Holzwerkstatt und baut viele Teile davon selbst, denn auch das ist Teil des Bio-Imkerns. Holz beispielsweise von der Wymouth-Kiefer, nur mit Leinöl und ohne Lacke oder Lösungsmittel behandelt, wurde verwendet. Styropor und Kunststoffe sind im Bio-Bereich verboten.

Der große Garten, in dem Birgit Conrad auch Gemüse anbaut, ist für die Tiere ein Schlemmerbuffet: Obstbäume, Efeu, viele Wildblumen. Und Wasserpflanzen in den Jahrhunderte alten, naturbelassenen Teichen am Honigbach, in denen Zander, Stichlinge oder Schleien leben. Dieses Areal ist auch Lebensraum für Rotwild und Eisvögel.

Während wir durch den Garten gehen, versetzt mich die Schaukel an einer riesigen Erle sofort nach Bullerbü. Ebenso die spätblühenden Sträucher „Samthaarige Stinkesche“ und „Sieben Söhne des Himmels“, an denen es nur so von Bienen wimmelt. Es ist ja immer spannend, zu erfahren, welche Nahrungsquellen man Bienen im eigenen Garten anbieten kann, gerade in ländlichen Gebieten, wo viel Mais und Getreide angebaut wird. Dazu beraten Birgit Conrad und Marc Seesing Interessierte immer gerne.

Im Honig der Imkerei gesammelt.net schmeckt man später das volle Blütenaroma, sagt Marc Seesing, der übrigens auch gelernter Koch ist. „Wir produzieren nur cremig gerührten Honig, bei dem die Kristalle durch das Rühren gebrochen werden. Durch diese Veredelung bleibt der Honig geschmeidig.“ Das Kunststück sei, Honig herzustellen, der vom Messer laufe, aber eben nicht vom warmen Toast, sagt Marc Seesing lachend.

Bei der Produktion sprechen die beiden übrigens immer auch von der Leistung der Bienen, denen sie einen Teil des Honigs zum Überwintern überlassen. Birgit, Marc und die Bienen sind eben ein Team. So erklärt sich auch der Name „gesammelt.net“: „Die Bienen sammeln den Honig für uns – das ist doch nett.“ Praktischer Nebeneffekt: Hat man dieses Wortspiel einmal gehört, vergisst man auch den Namen der Website nicht mehr.

Die beiden Imker haben sich ganze drei Stunden Zeit genommen, um mich herumzuführen und spannende Details preiszugeben. Noch im Gehen schreibe ich mir auf, dass Forscher der Oregon State University 2020 eine beeindruckende Entdeckung gemacht haben: In Myanmar fanden sie das 100 Millionen Jahre alte Bernstein-Fossil einer Biene. Sogar Pollenkörner konnten am Körper nachgewiesen werden.

Bevor ich alle Infos am Schreibtisch sortiere und aufschreibe, werde ich aber ganz sicher erst eines tun: Mindestens drei Brote mit dem köstlichen Honig aus Coesfeld verspeisen!

Angebote der Imkerei:

  • Bienenpatenschaften
  • Führungen, gerne für Schulen, und Vorträge
  • (Jahres-)Imkerkurse: Aktuell sind noch zwei Plätze frei im ganzjährigen Imkerkurs , der am 04. März beginnt.
  • Verkostungen

Die Produkte sind hier erhältlich:

  • Unverpackt-Laden, Coesfeld
  • Bioladen Weiling, Coesfeld
  • Bioladen Urban, Dülmen
  • Dorfcafé Nottuln
  • Alle Produkte gibt es auch am Hofladen in der Bischofsmühle, jedoch ohne feste Öffnungszeiten. Sind Kundinnen und Kunden vor Ort, werden sie aber natürlich bedient, ggfs. nach kurzer telefonischer Rücksprache.

Text und Bilder, bis auf die extra gekennzeichneten: Miriam Lethmate

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