
Das schöne Wörtchen Tausendsassa ist sicherlich ein passendes, um Paul Josef Schulze Osthoff zu beschreiben.
Sein Herz schlägt ebenso für die Landwirtschaft wie für den Pferdesport. Zusätzlich engagiert sich der Gröblinger sehr für Inklusion, steht beruflich in engem Kontakt mit Hotels, Gastronomie, Caterern. Und seit zwei Jahren ist er Spezialist für große Maschinen mit 350 Messern. Kartoffelschälmessern. Denn diese benötigen Schulze Osthoff und sein Team für ihre Münsterland-Knolle.
Der Integrations- und Schälbetrieb aus Sassenberg mit Produktionsstätte in Warendorf wurde 2019 von Paul Josef Schulze Osthoff übernommen und komplett neu aufgestellt. Das hieß in diesem Fall: zurück zum Ursprung, zurück zur reinen Kartoffel. Beste Münsterländer Knollen werden also ohne jegliche Konservierungsmittel und Zusätze wie Schwefel- oder Zitronensäure verarbeitet und verpackt, darauf legt der Chef größten Wert.

Familie Schulze Osthoff ist seit den 50er Jahren im Kartoffelanbau tätig. Den Betrieb der Eltern hat der Warendorfer 1994 übernommen.
„Damals wurden noch richtig große Sammelbestellungen ins Ruhrgebiet geliefert. Da war es Tradition bei den Kumpels im Bergbau, dass ganze Straßen gemeinsam bestellten und ihre Keller voll machten“, erinnert sich Schulze Osthoff und freut sich umso mehr, nun wieder zu seinen Wurzeln zurückgekehrt zu sein.
Der Betrieb verarbeitet nur Kartoffeln von benachbarten landwirtschaftlichen Höfen und ist daher mit dem Münsterland-Siegel ausgezeichnet. Beliefert werden Restaurants und Hotels, Großküchen in Altenheimen oder Krankenhäusern sowie Kantinen, beispielsweise in Schulen. Schließlich stehen Kartoffeln an der Spitze der beliebtesten deutschen Beilagen und gehören zur warmen Mahlzeit oft einfach dazu. Bei rund 55 Kilo lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch der Deutschen 2020 – auch Pommes, Chips und ähnliches zählen natürlich zu den Kartoffelprodukten.
Die Münsterland-Knolle bietet ein reichhaltiges Sortiment an, so werden die Kartoffeln nach dem Schälvorgang im Betrieb u.a. geviertelt, gewürfelt, zu Bratkartoffeln, Gratinkartoffeln, Kartoffelspalten oder Pommes frites geschnitten.
Und dafür bedarf es nicht nur oben erwähnter hunderter Messer, sondern auch einer Produktionsstrecke von rund 25 Metern. Denn es wird gewaschen, geschält, geschnitten, vakuumiert, eingeladen, ausgeliefert. Das muss ich mir doch mal genauer ansehen.
Mit Paul Josef Schulze Osthoff und Stephanie Buhtz starte ich unseren Rundgang im Außenlager, in dem gerade 20 Tonnen Kartoffeln in vier verschiedenen Größenordnungen liegen. Die Temperaturen und Lichtverhältnisse sind für die unbehandelte Ware hier ideal. Vor allem Frost, erfahre ich, hätte negative Auswirkungen: Die Kartoffeln würden süß.
Die Produktion beginnt auf einem Förderband und einer Waschtrommel, wo der erste Sand und Schmutz abgewaschen werden. Bei einer zweiten Wascheinheit werden die Schalen umfassend gesäubert und mit Wasserdruck geht es für die Kartoffeln anschließend hoch, durch einen Trichter, hinein in den Schälapparat.
Dort kommen die in sechs Reihen angeordneten Messer ins Spiel – und kurze Zeit später kullern perfekt geschälte Kartoffeln aus der Schältrommel in ein Wasserbad, um sie frisch zu halten. Geschälte Kartoffeln sollten nämlich so wenig Luftkontakt wie möglich haben, um braune Stellen zu vermeiden.
Da ist der Chef strikt. Und sein internationales Team hat ein gutes Auge für diesen Qualitätsanspruch. Denn am Verlesetisch stehen vier Damen, die per Hand alle dunklen Stellen abschneiden und Kartoffeln akribisch aussortieren. So schnell, wie die Mitarbeiterinnen sortieren, ist meine Kamera kaum.
„Hier wird jede Kartoffel in Augenschein genommen“, sagt Stephanie Buhtz anerkennend.
Wohlgemerkt: Diese Qualität fordert ihren Tribut, denn es können auch mal 40 Prozent der Kartoffeln sein, die den Ansprüchen nicht genügen. Nachhaltigkeit wird dabei groß geschrieben, so erhalten Schweine und Rinder die Schälabschnitte als hochwertiges Futter. Apropos Tiere: Ein findiger Landwirt kennt natürlich sein Equipment. Das Stichwort lautet Ferkelnester. Zwar mögen die Kartoffeln keine Wärme, die Füße der Mitarbeiterinnen am Verlesetisch allerdings sehr wohl. Sie stehen daher ganz gemütlich auf Wärmeplatten, die normalerweise als Ferkelnester verwendet werden. Herzerwärmende Idee!
Während wir weiter an den großen Maschinen entlang laufen, mit denen die Kartoffeln sortiert, zerteilt, geviertelt, nochmals gewaschen und auf die Waage befördert werden, gerät Paul Josef Schulze Osthoff ins Schwärmen, was ihn sympathisch und authentisch macht. „Wir haben hier den besten Boden und diesen Ursprung schmeckt man einfach in jeder Kartoffel.“ Gemeint ist der sandige Boden auf der anderen Seite von Warendorf, wo die Kartoffeln geerntet werden.
Stephanie Buhtz bricht als gebürtige Niedersächsin noch eine Lanze für die Kartoffeln aus dem Boden ihres Heimatortes südlich von Hamburg. Aber, so gibt sie gerne zu: „Die hier von uns verarbeitete Belana schmeckt nach Heimat.“
Die letzte Station im Verarbeitungsprozess ist die Maschine zum Vakuumieren. In verschieden große, extra für den Betrieb entwickelte Beutel kommen die Kartoffeln hinein und werden von den Mitarbeitern vakuumiert. Keine Chance für Luftkontakt. Und wenn doch mal durch ein Versehen ein Stecknadeleinstich-großer Berührungspunkt mit Luft zustande kommt, wird das Paket – selbstverständlich – sofort aussortiert.
Abgesehen von den hohen Qualitätsansprüchen, die alle Mitarbeiter haben, beeindruckt mich vor allem der menschliche Aspekt: Das Team lebt Inklusion. Bestes Beispiel ist das für die meisten Menschen ohne Behinderung wohl relativ nebensächliche Thema „Lage der Toiletten“. Sitzt man allerdings im Rollstuhl, wie eine Büro-Mitarbeiterin, sieht das natürlich anders aus. „Ich wunderte mich, warum sie trotz sommerlicher Temperaturen so wenig trank“, erzählt Schulze Osthoff, der der Thematik pragmatisch auf den Grund ging. Es kam heraus, dass der vorhandene Lifter wohl u.a. relativ langsam war, was den Aufwand vergrößerte, die behindertengerechte Toilette im Erdgeschoss zu erreichen.
„Also: Geht nicht, gibt´s nicht“, sagte der tatkräftige Chef. Kurze Zeit später war die Damentoilette im oberen Stockwerk, wo sich die Büros befinden, barrierefrei umgebaut.
Es sind genau solche Themen, die den guten Umgang miteinander, das Vertrauen und den Respekt innerhalb des Teams wiederspiegeln. Nur ein offener Umgang mit allen Fragen der Inklusion und Integration kann diese auch voranbringen.
Aber gewundert hat mich dieses gute Miteinander bei der Münsterland-Knolle ganz und gar nicht. Schließlich fängt der Qualitätsanspruch bei den Mitarbeitern an – und bei einem Chef, der den Anspruch an sich hat, einer der besten Sorte zu sein.
Text und Fotos: Miriam Lethmate
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