
Es ist ein ganz normaler Abend Ende November im Naundrups Hof. Mit mittlerweile ganz normalen Hygieneregeln und natürlich unter Beachtung aller Vorschriften. Eine murmelnde Geräuschkulisse, zwischenzeitlich durchdrungen von gelöstem Lachen, klingenden Gläsern, klackernden Absätzen. Die neue Normalität in den Restaurants wird von den Gästen wohlwollend akzeptiert: Der Genuss, genießen zu dürfen, ist mittlerweile noch wertvoller.
Das Team vom Naundrups Hof in Seppenrade hat die vergangenen zwei Jahre mit viel Kraft und Zuversicht gemeistert. Während der Lockdowns, gebeutelt von Kurzarbeit und jetzt dem allgegenwärtigen Personalmangel, haben die beiden Inhaber Bernd und Christoph Lange mutig ihr Groß-Projekt vorangetrieben. Seit der Grundsteinlegung im Oktober 2019 arbeiteten die beiden Architekten – Vater und Sohn – weiter an der Verwirklichung ihres Traums: ein idyllisches Landhotel mit 39 Zimmern und einem Wellness- sowie Konferenzbereich mit Ballsaal mitten im Rosendorf, eingegliedert in die alte Hofanlage, die das Restaurant beheimatet.
Anfang Dezember 2021 durften sie das Hotel gemeinsam mit dem ganzen Team feierlich eröffnen.
Umso mehr freue ich mich, dass Hoteldirektor Thibault Levasseur sich bei meinem Besuch im November viel Zeit nimmt, um mir eine private Pre-Opening-Tour durchs Hotel zu geben. Natürlich gibt es auch Blicke in die Küche, das wunderschöne Kaminzimmer und sogar auf die Teller der Gäste.
Ich sage es ja, die Menschen sind entspannt und genießen einfach den Abend im traditionellen Ambiente mit Köstlichem aus der Region. Schließlich ist das Restaurant mit dem Münsterland-Siegel ausgezeichnet, welches den regionalen Ursprung der verwendeten hochwertigen Produkte belegt.

Zuerst aber der Blick ins Hotel, das schlummernd auf den Advent wartet. Die Lobby ist natürlich schon fertig eingerichtet. Hier harmonieren traditioneller Charme und zurückhaltende Eleganz, so ist die Wand hinter der Rezeption gleichzeitig die Backsteinmauer der alten Scheune. Daraus hat sich etwas Spannendes entwickelt, wie ich von Thibault Levasseur erfahre: Aus der alten Scheune ist eine feine Lounge mit Bar namens „Reitstall“ entstanden. Hier sollen sich demnächst Sportfans bei einem kühlen Getränk und einem leckeren Snack wohlfühlen, wenn sie bei Liveübertragungen von Bundesligaspielen, großen Fußball-Turnieren oder dem Superbowl mitfiebern. Außerdem kann der Neue Reitstall für private Feiern gemietet werden.


Apropos Feiern: Ich muss unbedingt den großen Saal sehen. Wir gehen also durch die Lobby, in der Braun, Beige, Hellgrau die dominierenden Farben der Holzmöbel und mit Ornamenten verzierten Tapeten sind. Der Hoteldirektor entfacht noch ein Feuer im Kamin und weist den Weg zum Ballsaal. Knapp hundert Gäste können hier feiern, tanzen, genießen. „Wir freuen uns natürlich auf die Zeiten, wenn wieder große Gesellschaften, Hochzeiten und Familienfeiern stattfinden können“, hofft der Hoteldirektor auf die Frühlings- und Sommermonate im kommenden Jahr.


Gebürtig aus Lille hat Levasseur schon in veschiedenen großen Häusern in Frankreich, Deutschland oder den USA gearbeitet. Bereits bei der Eröffnung des Kölner Marriott Hotels 2006 war Bernd Lange sein Chef, den er enorm schätzt. Lange holte ihn dann 2021 auch zurück in seine Crew – aus einem idyllischen Hotel in den Schweizer Alpen ins doch vergleichsweise flache Seppenrade. „Was? Wir liegen höher als Lüdinghausen!“, sagt Levasseur lachend und fügt hinzu: „Hier gibt es auch viel Grün, viel Landschaft. Es gefällt mir sehr.“
Selbstverständlich hat ihn auch das Hotel-Restaurant-Konzept überzeugt, das er nun neu mitgestalten kann. „An der Küche ändern wir aber nichts. Naundrups Hof ist ein Qualitätsname in der Region. Die Speisekarte bleibt regional, traditionell mit sehr guter Qualität.“



Gibt es denn Klassiker, die er trotzdem gerne verändern würde? „Mir macht es viel Spaß, den Gästen das zu servieren, was sie sich wünschen. Jetzt im Herbst und Winter sind das der traditionelle Sauerbraten oder die Rinderroulade. Ich selber liebe Hummer, aber deswegen müssen unsere Gäste ihn ja nicht essen“, sagt er lächelnd.



Wir haben unsere Runde durchs elegante Hotel mittlerweile beendet und sind, vorbei an der knisternden Feuerstelle, wieder im Restaurant angelangt. Ein Gast begrüßt Levasseur auf Französisch und hält einen kurzen Plausch, während es am Empfang ebenfalls lebhaft wird. Eine größere Gruppe hatte sich den falschen Termin notiert, möchte aber trotzdem in den Genuss der leckeren Wildgerichte kommen.
Die jahrzehntelange Erfahrung im Rücken delegiert Levasseur seine Kollegen charmant mit verschiedenen Aufgaben in die Küche, führt die knapp 20 Gäste lächelnd in einen separaten Raum und bleibt die Ruhe selbst. Chapeau!

Ich setzte mich erstmal mit einem Kaffee an einen freien Tisch und studiere die Karte. Suppe mit karamellisierten Rotwein-Maronen. Überbackene Zwiebelsuppe. Rosa gebratener Rehrücken. Geschmorte Hirschroulade. Lachs mit gebratenem Speck. Risotto mit Champignons. Vanille-Parfait. Und natürlich Herrencreme. Lauter feine Gerichte der Saison mit münsterländischer Ausrichtung, die einem die Entscheidung enorm schwer machen.
Also befolge ich erstmal den Hinweis einer freundlichen Mitarbeiterin, doch mal ins Kaminzimmer zu schauen. Ein Lichtschein fällt durch die angelehnte Tür. Und schwupps, Hunger vergessen. Der November darf schlafen gehen. Es ist Heiligabend!
Der prachtvoll geschmückte Weihnachtsbaum leuchtet und verströmt einen herrlichen Duft, der sofort Feiertagsstimmung zaubert. Die Tafel ist festlich eingedeckt, der Kaminsims üppig mit Tannengrün verziert. Wären wir in London, würde Santa wohl just in diesem Moment durch den Kamin rauschen. Auf solch ein Spektakel kann ich jedoch getrost verzichten und genieße dieses Geschenk einer vorgezogenen Weihnacht.

Wer an Heiligabend, am ersten oder zweiten Weihnachtstag hier dinieren darf, kommt übrigens in den Genuss von Gänsekeule oder Entenbrust, gebratenem Zander oder geschmorten Ochsenbacken, Roastbeef, Steinpilz-Papardelle oder Gorgonzola-Birnen-Risotto. Da fällt es wohl niemandem schwer, sich der neuen Realität anzupassen, 2G und Hygieneregeln zu beachten und sich dann einfach nur genüsslich verwöhnen zu lassen.
Text und Fotos: Miriam Lethmate
