Die Glücksfee hatte sich herausgeputzt samt Cocktailschirmchen im Haar und silbern glänzendem Shaker unterm Arm, als sie den Namen Andrea Gottfreund aus dem Lostopf zog. Eingeladen hatten das Münsterland-Siegel und die Feinbrennerei Sasse zu einem exklusiven Abend, an welchem die für Laien meist verschlossenen Tore zur geheimen Welt des professionellen Cocktail-Mixens aufgestoßen werden sollten. Und wer wäre besser geeignet, den Gästeführer auf dieser genussvollen Reise zu geben, als Korn-Ambassador und Destillateur Björn Bochinski?

Der Cocktail-Fachmann hieß die glückliche Gewinnerin Andrea Gottfreund und ihre fünf Begleiter in der altehrwürdigen Schatzkammer der Feinbrennerei in Schöppingen willkommen. Umgeben von wuchtigen Eichenfässern, die dem Korn zur Reifung dienen, hatte Björn Bochinski einen Gabentisch mit allerlei schlanken Flaschen dekoriert: Der Abend stand im Zeichen des „Nju Korn“, ein 2018 extra für die Barwelt und Gastronomie kreierter vollmundiger Kornbrand aus besten Zutaten des Münsterlandes. „Ein extrem milder Weizenkorn, quasi eine Wodka-Art in Perfektion“, sagte Björn Bochinski.
Andrea Gottfreund, ihr Mann und zwei befreundete Paare waren mit dem Taxi aus Münster abgeholt worden. Schließlich muss jeder gute Bartender seine Künste und etwaigen Fehlversuche auch probieren dürfen. Erstmal aber wurde der “Arbeitsplatz“ vor die Linse und unter die Lupe genommen. Korn und Wasser, Liköre und Säfte, Korianderöl, Schokoladenbitter, Limetten, Orangen, frisches Basilikum sowie reichlich Eiswürfel, Gläser, Shaker, Schneidebretter – willkommen im Cocktail-Himmel.
Nach einer kleinen Vorstellung der Feinbrennerei Sasse, die als Familienunternehmen sage und schreibe seit dem Jahr 1707 beste Handwerkstradition pflegt, griff Björn Bochinski zu einer unauffälligen, etikettlosen Flasche mit hellgelbem Inhalt. Nun durfte gekostet werden – und zwar ein Drink mit dem herrlichen Namen „Mandarinen-Käsekuchen“. Hergestellt mit der uralten Technik der Milchklärung waren in diesem Getränk, das schon duftete wie Nachtisch bei Omi, die Farb-, Fest- und Gärstoffe entfernt worden.
Korn, Mandellikör, ein bisschen Vanille, Liqueur 43 (daher die hellgelbe Farbe, denn künstliche Farbstoffe lassen sich nicht entfernen), Zucker und geriebene Zitrone waren auf heiße Milch getroffen und dann komplett old school durch ein Leinentuch getropft. Die ganze Nacht. Durch diese Art der Filtration hatte auch die Milch ihre Farbe verloren, war also geklärt worden.
Der ursprüngliche Nutzen dieser Technik: das Getränk wird konserviert. Zu Zeiten des Kühlschranks bedeutet dies, dass es sich mindestens drei Wochen in selbigem hält. Björn hatte also eine außergewöhnliche Spezialität vorbereitet. „Total abgefahren“, „Das schmeckt ja wie Eis“ oder „Wow, der ist ja wirklich sehr mild“, waren dann auch die freudigen Reaktionen der sechs Cocktail-Tester.
Echtes Handwerk funktioniert eben immer nur mit Leidenschaft. Ob der Destillateur seine Kreation eine Nacht durch ein Leinentuch tropfen oder im großen Stil jahrelang in Eichenfässern gedeihen lässt – bei Sasse gehen sie gerne den ungewöhnlichen Weg. Das erfuhren auch Andrea Gottfreund und ihre Begleiter beim Rundgang durch die Brennerei.
Während die Eiswürfel im Mandarinen-Käsekuch-Drink leise klirrten, bewunderten die Gäste den riesigen, 140 Jahre alten Destillierapparat „Der geniale Becker“ und lauschten den Ausführungen des Fachmanns: „Destillation ist ein thermisches Trennverfahren. Wasser und Getreide werden vom Alkohol getrennt.“
Und dann kommen ganz viel Fingerspitzengefühl, sensorisches Talent und das Wissen um perfekte Zeitpunkte hinzu. Als die Gäste nämlich am sogenannten Vorlauf schnuppern durften, ward der Gedanke ans blumige Mandarinen-Käsekuchen-Aroma sofort beiseite gefegt. „Bäh, das riecht ja wie Nagellackentferner“ – „Nein, schlimmer: wie Tequila“, lautete das Urteil von Julika und Florian. Also lieber raus an die frische Luft.
Am Ende des großen, dunklen Hofes ergoss sich warmes Licht durch den Spalt eines mächtigen Holztores. Durch halbrunde, mannshohe Fenster waren stufenförmig gestapelte Holzfässer zu erkennen. Die kleine Gruppe betrat ehrfürchtig das „Reifugium“ der Brennerei und hielt die imposante Kulisse aus allen Blickwinkeln mit ihren Handys fest. In der acht Meter hohen Halle hält der Lagerkorn seinen Schönheitsschlaf in französischen Barrique-Fässern, darf mindestens vier Jahre reifen und das besondere Klima am Schöppinger Berg nutzen. Durch die einmalige Bauweise streicht tagein, tagaus ein sanfter Wind über die meterhoch gelagerten Fässer und arbeitet mit dem Holz an unverwechselbaren Aromen. Außerdem verwandeln sich höhere Alkohole in Ester – Kopfschmerzen sind hier ein Fremdwort.
Das war auch das Stichwort, als sich die Gruppe nach einem kurzen Gang durch die Abfüllanlage dem eigenen Kreieren zuwandte. Ein bisschen eingeschüchtert durch die beträchtliche Menge erlesener Zutaten und die Expertise des beratenden Bartenders hielten die drei Damen sich erstmal zurück. Holger trat zuerst ans Schneidebrett. Inspiriert von Björns Erzählungen über die Vermählung der verschiedenen Destillate griff er beherzt zu Korn, Himbeergeist, Orangenlikör, Maracujasaft, Minze und Eiswürfeln. Der erste Schluck verriet: Aller Anfang ist schwer. Eine kurze Erinnerung an das unumgängliche Verhältnis 5:3:2 (sprich Alkohol:Säure:Zucker) brachte Erleichterung. „Aaah, das schmeckt doch schon ganz anders. Die erste Variante war viel zu sauer“, erklärte Holgers Frau Alexandra lachend.
Bald machten Echtöle aus Saatgut die Runde, ebenso wie Holunderblütenlikör, mit Cocktailbitter getränkte Zuckerwürfel oder Mandelsirup – stets mit Korn verfeinert. Shaken mit Elan und bitte bloß ohne kohlensäurehaltige Anteile war ebenso Aufgabe wie das Pressen der frischen Kräuter. Björn stand mit Tipps und Tricks zur Seite und staunte über seine kreativen Gäste: „Du hast da Basilikum gepresst und mit Koriander-Öl kombiniert? Freaky, den muss ich probieren.“
Der flüssigen Nahrung leisteten übrigens köstliche westfälische Tapas der Feinkostfleischerei Hidding Gesellschaft: Mettendchen, Frikadellen, Westfälischer Knochenschinken auf Pumpernickel und Gemüse mit würzigem Dip waren die perfekten Begleiter zu den Nju-Korn-Cocktails.
Dann toppte Björn Bochinski das Aufgefahrene noch mit einem wahren Schätzchen: „Zum krönenden Abschluss habe ich hier noch den limitierten Lagerkorn 10 für euch. Das ist ein Schwarzhaferbrand, der zehn Jahre in amerikanischen Weißeichenfässern gereift ist. Übrigens seit anderthalb Jahren vergriffen.“
So klang der genussvolle Abend bei einem Toast auf den Freundeskreis und auf das Kleinod im Glas gemütlich aus. Und der nächste Morgen würde zweifelsfrei ohne Kater beginnen.
Wer mal eine Schnupper-Tour durch die Sasse-Welt unternehmen möchte, schaut hier.
Text und Fotos: Miriam Lethmate
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