
Es dauert keine 60 Sekunden, ist aber das eindrucksvollste und herzerwärmendste Erlebnis auf dem Hof Keil – und außerdem Sinnbild fürs Betriebsethos: Als ich mit Claudia Keil langsam und leise sprechend an den Gattern des Offenstalls entlanggehe, beginnt eine ruhige, aber stetige Bewegung innerhalb der Herde. Die Kälber hatten bis gerade in einer Gruppe von etwa sechs, sieben Tieren aneinandergekuschelt im Stroh gelegen.
Doch die freche Störung durch eine hoffremde Person lässt die Jungtiere wachsam die Köpfe drehen und blöken. Eines nach dem anderen erhebt sich und steuert zielstrebig, wenngleich ohne Hast, den kleinen Durchgang im Geländer an. Husch, husch begeben sich ungefähr sechs Kälbchen direkt zu ihren Müttern, lassen sich vor deren schützenden Körpern ins gemütliche Stroh sinken oder bleiben einfach in der Nähe der Mutterkühe stehen – die Köpfe aufmerksam in meine Richtung gewendet.


Hier auf dem fleischproduzierenden Hof Keil in Reken steht die muttergebundene Kälberaufzucht im Mittelpunkt: Die Kleinen dürfen acht bis zehn Monate bei ihren Müttern bleiben, verbringen mit ihnen die ganze Zeit auf der Weide oder im Stall. Die ersten zwei Wochen nach der Geburt bekommen Mutter und Kalb sogar eine kleine „Elternzeit“ zu zweit.

„Uns ist die artgerechte Tierhaltung extrem wichtig. Natürlich werden die Tiere am Ende geschlachtet, aber es geht um das gute Leben vorher. Die Tiere verbleiben in ihrem sozialen Umfeld, sie dürfen zusammen sein, auf Weiden laufen – also all das, was die Tiere gerne mögen“, sagt Claudia Keil.
Man merkt, wie emotional und bedeutend das Thema für sie ist, denn mit Überzeugung fügt die Chefin an: „Ich finde es nicht richtig, Fleisch zu essen und sich nicht mit der Haltung und der Qualität auseinanderzusetzen.“ Auch diese Einstellung spiegelt das Ethos des Betriebes, der mit dem Münsterland-Siegel ausgezeichnet ist.



Klar, wirtschaftlich muss es auch bei Keils laufen. Und dass es um qualitativ hochwertiges Fleisch geht, für das die Kunden gerne zum Hofladen kommen, daraus macht hier auch niemand einen Hehl. Schnelles Wachstum um jeden Preis darf es jedoch nicht sein.
„Wir möchten die Wertschöpfung in den Vordergrund stellen. Die Wertschätzung der Tiere und der Produkte gehören absolut dazu“, sagt Claudia Keil.
Das war die Idee hinter der Betriebsumstellung, die 2012 startete. Damals übernahm Heiner Keil den Betrieb von seinen Eltern, von Beginn an fokussiert auf die artgerechte Haltung. „Am Anfang sind wir schon belächelt worden“, erinnert sich der gelernte Landwirt. Man müsse den Menschen wieder in Erinnerung rufen, welchen Nutzen diese Art der Landwirtschaft habe. „Wir haben unseren eigenen, geschlossenen Kreislauf. Von der natürlichen Besamung bis zum Steak passiert alles auf dem Hof“, sagt Heiner Keil.
Die Rinderrassen Blonde d’Aquitaine/Angus werden vor Ort gezüchtet. Mittlerweile haben die Keils mehrere Herden mit insgesamt 120 Mutterkühen, die bis zu achtzehn Jahre alt werden. Sie leben mit ihrer Nachzucht im Herdenverbund in den Naturschutzgebieten. Niedermoore und das Naturschutzgebiet Heubachwiesen sind weitläufige Naturschutzweiden, auf denen die Tiere abwechslungsreiche Nahrung finden und sich ungestört bewegen können.

Diese natürliche Haltung trage zur gleichbleibend hohen Fleischqualität bei, sagt Heiner Keil. „Außerdem“, ergänzt seine Frau, „sind unsere Herden auch Landschaftspfleger. Die Wasserbüffel fressen zum Beispiel die Gehölze rund um die Tümpel ab, die sonst zuwachsen würden.“
Bei meinem Besuch Mitte Februar hingegen sind die Tiere noch in den offenen Strohställen, abgesehen von den robusten Taurusrindern, die problemlos ganzjährig weiden. „Deren Fleisch hat deshalb eine wilde Note“, sagt Heiner Keil.
Die Mutterkühe, Färsen, Kälber und Bullen stehen zurzeit jedoch in mehreren unterteilten Ställen auf Stroh. Und sind von diesem auch bedeckt, wie ich verwundert feststelle. „Ja, das Stroh wird jeden Tag frisch über die Tiere nach hinten geblasen, damit es im hinteren Bereich immer warm und trocken ist“, erklärt Claudia Keil. Ganz vorne fährt eine dicke Stahlkette längs des Bodens entlang: Der automatische Mistschieber reinigt den Stall. Die Kühe sind das bodennahe Gerät so gewöhnt, dass sie ungerührt drüber steigen, denn nun gibt´s Mittagessen.

Duftende Haufen aus Gras und Heu warten vor den Gattern auf die hungrigen Mäuler. Auch hier zeigt sich der Betriebskreislauf, kommen doch Gras, Heu und Mais aus eigenem Futterbau.
Zufriedenes Schmatzen durchzieht den Stall, plötzlich unterbrochen von einem energischen „Klonk“, als sich ein massiger Kopf durch das Metallgitter schiebt. Dafür hatte ich bisher gar keinen Blick, doch Claudia Keil macht mich darauf aufmerksam, dass alle Tiere im Besitz ihrer Hörner sind. Auch die Kühe und Färsen, denn die Hörner sind bei ihnen ebenso natürlich wie bei den Bullen. Grundsätzlich werden die Tiere bei Keils nicht enthornt.
Wir sehen uns die weiteren Stallungen an, bis wir auf den Eingang zur Metzgerei stoßen, die direkt an einen Stall angeschlossen ist. „Wir tun alles, um unsere Tiere möglichst artgerecht und stressfrei aufwachsen zu lassen. Daher erfolgt auch die Schlachtung der Tiere in der eigenen Landmetzgerei“, sagt Heiner Keil. Den Tieren bleibe so der Transportstress und die ungewohnte Umgebung eines großen Schlachtbetriebs erspart.
Wenn Kunden eine Hofbesichtigung buchen, ist den Keils immer auch die Auseinandersetzung mit der Schlachterei wichtig. Wissen, wo das Fleisch her kommt. Wissen, was drin ist. Wissen wie es zubereitet wird – nämlich handwerklich nach ursprünglichen Rezepturen. „Ohne Transparenz funktioniert so ein Betrieb nicht“, sagt Claudia Keil.
Und das fasst perfekt zusammen, was ich hier beim Blick hinter die Kulissen erfahren habe: Fleischgenuss sollte eine Auseinandersetzung mit der Wertschöpfungskette beinhalten. Wenn der Kunde von dieser überzeugt ist, schmecken die Produkte mindestens doppelt so gut.
- Öffnungszeiten Hofladen: Di. bis Fr. 9-18.30 Uhr, Sa. 10-14 Uhr
- Der Betrieb ist auf der Suche nach selbstständigen Erlebnis-/Naturpädagog:innen, der/die einen Lernort für Kinder und Jugendliche auf dem Hofgelände schaffen möchte. Seien es ein Bauerngarten, ein Bienenprojekt, ein Baumpatenprogramm, Arbeiten auf der neuen Streuobstwiese oder ganz andere Ideen.
Weitere Eindrücke:
Text und Fotos: Miriam Lethmate
Fotos der Rinder auf der grünen Weide: Hof Keil
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