
Niedlich, friedlich und (quietsch) sooo süüüüß! Ok, das musste sein, denn Alpakas sind einfach zu knuffig, wie sie entspannt schmunzelnd oder mit großen Fragezeichen in den Augen vorsichtig die Menschen inspizieren. Obwohl sie doch aussehen wie Kuscheltiere, sollte man sich behutsam annähern, denn Alpakas sind Distanztiere, halten gerne Abstand sowohl zu Artgenossen, als (anfangs) auch zu Menschen. Trotzdem haben sie in der Herde eine ausgeprägte Sozialstruktur, wie ich von Heike Beckmann erfahre. Heute darf ich nämlich nicht nur schlemmen, sondern auch ganz viel über Alpakas lernen.




Das Ausflugslokal „Hohe Heide“ in Rheine-Mesum vereint die Münsterländer Kulinarik mit besonderen Natur-Erlebnissen: Alpaka-Führungen und -Schnupperstunden, Picknick oder sogar Camping auf der Alpaka-Weide, einjährige Patenschaften, Stöbern im Alpaka-Shop. Heike Beckmann hat vor drei Jahren ihre Herz an die flauschigen Tiere verloren. Wie es im Leben oft ist, kam sie durch eine Freundin, die selber Alpakas züchtet, mit dem Thema in Berührung.
„Aus einer Tasse Kaffee wurden sechs Stunden Unterhaltung. Mir war ganz schnell klar: Touren mit Alpakas bieten sich bei uns im Grünen wunderbar an“, erinnert sich Mesumerin an das erste Gespräch, welches einen Monat später im Kauf von vier Hengsten resultierte. Und so leben seit Mai 2020 sechs Herren und vier Damen aus der Gattung Kamele auf dem idyllischen Areal rund um das Restaurant.
Das Coolste: Nach meinem Besuch sind auf der Hohen Heide zum ersten Mal Fohlen geboren worden. Drei Geburten in einer Woche, zwei Hengste und eine Stute. “Das war wirklich aufregend und schön! Die Kleinen sind topfit und dürfen jetzt erstmal die Zeit mit ihren Mamas genießen”, freut sich Heike.

Die Herde hat reichlich Platz. Es gab früher Damwild auf der Hohen Heide, zudem eine Ziege und ein Pferd als Begleiter der fünfköpfigen Familie. Aber die Alpakas waren es schließlich, die alles abrundeten.
„Das sind sehr sensible, liebe und neugierige Tiere. Jedes hat seinen ganz eigenen Charakter. Aber meist kommen alle zur Begrüßung“, sagt Heike, während wir genau dies auf der Weide erleben. Herdenchef Gandhi musste heute zum Tierarzt, daher sind die anderen etwas unsicher und vorsichtiger. Trotzdem wagen sich Boris und Pele auch in meine Nähe und beäugen den komischen schwarzen Kasten, durch den ich sie beobachte und der später – wie frech – in seiner Tasche auf ihrer Wiese liegt.
Die Hengste spucken aber nicht in meine Richtung, zeigen also kein Abwehrverhalten. Als mir der weiße Boris beim herzhaften Gähnen seine Zähne zeigt und anschließend im Liegen genüsslich anfängt zu grasen, bin ich sicher, dass die Tiere sich auch mit fremden Menschen wohl fühlen.




Auf dem rund fünf Kilometer langen Wanderweg durch das angrenzende Naturschutzgebiet nahe der Ems werden die Tiere natürlich an der langen Leine geführt. Mensch und Tier sind ein Team, in dem das Tier den Ton angibt. Absolute Entschleunigung garantiert. Heike hat gerade ihre Ausbildung zur Kursleiterin Waldbaden an der Deutschen Akademie für Waldbaden abgeschlossen. Ihr könnt also auch ohne Alpakas mit Heike das Naturschutzgebiet erkunden und den Wald entdecken. Auf Wunsch kommt die gelernte Hotelfachfrau auch zum Waldbaden zu euch, in eure Betriebe oder zu euren Veranstaltungen.
Das Thema passt einfach zum gesamten Umfeld an der Hohen Heide: Achtsamkeit ist untrennbar mit Alpakas und den geführten Wanderungen verbunden. Laufen, auf die Umgebung hören, die Natur beobachten, Neugier beweisen, entspannen. So eine Wanderung erdet einen – von Alpakas können wir viel lernen.
„Wenn ich auf die letzten drei Jahre zurückblicke, mit Lockdown, Unsicherheiten und jetzt dem Personalmangel, muss man es einfach machen wie die Alpakas: ruhig mit allen Beinen auf dem Boden bleiben“, sagt Heike lachend.



Das Restaurant hat eine spannende, wechselvolle Geschichte, die immer von Begeisterung, aber auch Anpassung erzählt. Die Männer der Familie Beckmann belieferten Mitte des letzten Jahrhunderts als Milchmänner das Dorf Mesum. Aus diesem Netzwerk und dem Vorteil, einen landwirtschaftlichen Milchbetrieb zu besitzen, entwickelte sich schnell eine viel besuchte Milchbar am Hof. Diese wurde dann, typisch münsterländisch eben, aufgrund der großen Nachfrage nach Gerstensaft und nach einer Lokalität für Feierlichkeiten zur Schankwirtschaft ausgebaut. Seit 1953 läuft der Restaurant-Betrieb, so dass die Familie am 1. Mai das Jubiläum zum 70-jährigen Bestehen feiern durfte.
Nach Aufgabe der Landwirtschaft konzentrierte sich die Familie vollends auf den Restaurantbetrieb samt Ausflugslokal, das auch über einen Bootsanleger von der Ems aus zu erreichen ist. Wer Lust auf eine Kanu-Tour mit leckerer Rast an der Hohen Heide hat, kann sich am besten bei Bernd Laukötter und seinem Team vom Canu Camp melden. Beide Betriebe sind Mitglieder im Münsterland-Siegel, das Speisen auszeichnet, die zu mindestens achtzig Prozent aus regionalen Zutaten bestehen. Zudem sind Lebensmittel damit gekennzeichnet, die nachweislich im Münsterland geerntet oder produziert wurden.



Jürgen Beckmann ist nicht nur Koch, sondern auch Jäger und Metzger. Die Küche ist seit Betriebsübernahme 1995 ganz in seiner Hand. Oder, wie Heike die perfekte Arbeitsteilung lachend beschreibt: „Mein Mann kocht und backt alles. Ich mache alles andere.“
Bodenständige, westfälische Gerichte wie Zwiebelfleisch, Schweinebraten oder Rouladen bestellen die Gäste im Tagesgeschäft am liebsten. Bekannt ist das Restaurant aber vor allem für die Feiern im großen Saal und das Sonntags-Café mit selbstgebackenem Kuchen, im Herbst mit Äpfeln von der eigenen Obstwiese. Das Wild erlegt Jürgen Beckmann selber und bereitet es fachmännisch zu. Alle Wildfleischgerichte tragen daher das Münsterland-Siegel.





Ich komme heute in den Genuss, gleich zwei Kuchen kosten zu dürfen. Biskuitboden mit Beeren und Roter Grütze sowie mit Stachelbeeren. Ich kann euch versprechen: Beide schmecken köstlich. Neben dem großen Schankraum, der vor langer Zeit der Kuhstall war, findet sich eine riesige Auswahl an Produkten aus Alpaka-Wolle. Gandhi und seine Gang sind dadurch auch im Restaurant sehr präsent.
Die Vielfalt ist erstaunlich und ich bin besonders begeistert von den kuscheligen Socken, die sich perfekt für meine Touren durchs Münsterland eignen: Alpakawolle ist wärmeregulierend und überhaupt nicht kratzig. Spannend für Allergiker ist auch, dass es kein Lanolin (Wollwachs) enthält, das allergische Reaktionen hervorrufen kann. Das Beste aber ist, dass den Alpakas mit dem Scheren etwas Gutes getan wird, da sie sonst vor lauter Flausch irgendwann überhitzen würden. Wohlweislich hatte ich meinen spannenden Besuch bei Beckmanns vor die Schur gelegt, um euch die süüüßesten Motive mitzubringen.
Text und Fotos: Miriam Lethmate