Alexianer-Imkerei

Die Wiese ist ein wogendes Laken aus tausenden winzigen, weißen Blütenfächern. Leises Brummen und Sirren durchzieht die spätsommerliche, himmelblaue Stille und kündet von fleißiger Arbeit zwischen Gräsern, Farnen und Blumen. Dies ist ein sagenhaft schöner Platz, um seinem Tagwerk nachzugehen – Mensch und Tier teilen ihn sich.

Aktuell 27 Bienenvölker und acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Klostergärtnerei Sinnesgrün arbeiten auf der Buntbrache gemeinsam an einer seltenen Delikatesse: Bio-Honig aus dem Münsterland. Denn solchen stellen nur sehr wenige Imkereien her und eine davon ist jene der Alexianer Werkstätten Münster.

Durch deren Mitgliedschaft im Bioland-Verband, der Lebensmittel weit über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus als organisch-biologisch auszeichnet, kam auch die Idee auf, die Imkerei auf bio umzustellen. Es gibt tatsächlich Honigbienen, die bereits durch Herkunft und Aufzucht alle Bio-Kriterien erfüllen. Solche hielten dann Einzug in der Imkerei auf dem Alexianer-Campus in Münster-Amelsbüren.

Eigene landwirtschaftliche Flächen von 12,5 Hektar, auf dem die Pflanzen der Gärtnerei Sinnesgrün gedeihen, bieten den Bienen ein köstliches, vielfältiges Buffet. Das schöne Projekt der Buntbrache gestalteten die acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusätzlich für die neuen Bewohnerinnen.

Mit Schafsgarbe, Ringelblume, Borretsch, Echinacea, Sonnenblume, Salbei oder Storchenschnabel strahlt diese Wiese im Verlauf von Frühling und Sommer weiß, orange, blau, pink, gelb, violett und rosa. Wie gesagt, ein traumhaftes Plätzchen. Daher bin ich umso dankbarer, dass das Imkerei-Team mich eingeladen hat, um nicht nur mehr über das hochwertige Produkt zu erfahren, sondern vor allem über die gemeinsame Arbeit, die ein Fundament hat: Zusammenhalt. 

Die Alexianer Werkstätten fördern und begleiten seit 1990 Menschen mit behinderungsbedingten Vermittlungshemmnissen auf ihrem Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie orientieren sich an bestehenden Berufsbildungshinhalten und qualifizieren in den Bereichen Handwerk, Industrie, Dienstleistung, Werbedesign sowie Verwaltung. Außerdem bieten sie Menschen bedarfsorientiert eine Möglichkeit zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Besonders spannend finde ich, dass in den Werkstätten mit viel Leidenschaft und Zusammenarbeit auf Augenhöhe vielfältige regionale Lebensmittel hergestellt werden. Daher sind die Alexianer seit März 2019 Mitglied im Münsterland-Siegel, welches nachweislich im Münsterland geerntete und hergestellte Lebensmittel auszeichnet.

Träger der zum Unternehmensverbund der Alexianer gehörenden Werkstätten ist die Stiftung der Alexianerbrüder, die vom Orden der Alexianerbrüder gegründet wurde; ein in weltweit sieben Ländern vertretener katholischer Krankenpflegeorden. Seit rund 800 Jahren wirken die Alexianerbrüder als Pflegegemeinschaft für kranke, alte und arme Menschen.

Dieses Leitbild der Nächstenliebe und Stärkung durch Teilhabe wird im Imkerei-Team gelebt. „Jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin entscheidet natürlich selber, in welchen Arbeitsbereich er oder sie geht. So kann man sich auch an unterschiedliche Arbeiten heranwagen“, sagt die Fachkraft für Arbeit Astrid Schirmer-Striewe.

In einem Nebenraum der Gärtnerei sitzen wir zusammen und lernen uns beim Interview kennen, bevor es später in den Honig-Schleuderraum und zu den Bienen-Behausungen, den Beuten, geht. Zurückhaltung, Geradlinigkeit, nachdenkliche Blicke, lebhafte Gestik, durchdachtes Suchen nach passenden Beschreibungen, gelöstes Lachen – ein spannendes Gespräch entsteht. Viele Facetten der Herausforderung, sich erneut dem allgemeinen Arbeitsmarkt stellen zu wollen, sind Thema, aber eben auch die unverkennbar positive Wirkung des Imkerns auf die gesamte Gruppe.

„Früher habe ich im Garten- und Landschaftsbau auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gearbeitet, da war der Druck sehr hoch. Hier arbeite ich am liebsten am Volk oder direkt in der Imkerei. Ich mag es nicht, wenn Sachen liegen bleiben. So hat es sich vom Halbtags- zum Fulltimejob entwickelt und es macht mir sehr viel Spaß“, erzählt ein Teilnehmer.

Alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen seien mittlerweile extrem selbstständig in ihren Tätigkeiten, sagt Astrid Schirmer-Striewe. Ein Prozess, der sich stetig weiterentwickelt. Beispielsweise gibt es bald eine zusätzliche Räumlichkeit. Erfolg braucht eben Platz: Die Gruppe schleudert für viele konventionelle Imkerinnen und Imker deren Honig oder schmilzt deren Waben ein.

„Diese Dienstleistung hat sich rumgesprochen und ist ein großer Verdienst der Gruppe“, so Schirmer-Striewe. Besonders Hobby-Imker und -Imkerinnen, erzählt ein Teilnehmer, hätten oft keine Profigeräte wie Schmelzer und Schleuder oder müssten die Tätigkeit sonst in der heimischen Küche oder im Garten durchführen. Hier gibt es eigens den Schmutzraum für diese Arbeitsschritte.

Das verästelte Wissen um Leben und Tätigkeit der Bienen und vor allem um das Teilen des kostbaren Gutes zwischen Mensch und Tier haben sich die Alexianer-Imkerinnen und -Imker nicht nur autodidaktisch oder auf Fortbildungen angeeignet. Markus Hellkuhl, Vorsitzender des Kreisimkervereins Münster, hilft jeden Freitag ehrenamtlich bei allen Fragen oder Unsicherheiten. Doch letztere lassen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mittlerweile kaum noch zu. 

„Klar fangen alle erstmal vorsichtig an. Wenn es um den Kopf herum summt, hat man schon Respekt und kann nicht immer ruhig bleiben, trotz langer Kleidung. Und ich bin natürlich auch schonmal gerannt“, sagt eine erfahrene Teilnehmerin lachend. Dieser „Imkertanz“, wie sie ihn scherzhaft nennt, käme nun aber selten vor, da die Gruppe mit vollständiger Schutzkleidung ausgestattet ist.

Erst im Juni hat sich ein weiterer Teilnehmer für die Arbeit in der Imkerei entschieden und ist bereits Experte beim Honigrühren. Zurzeit wird der Sommerhonig verarbeitet. Alle ein bis zwei Tage, sehr vorsichtig, rührt der junge Mann jeden Eimer zehn Minuten: „Den Schaum trage ich mit einem Spatel ab. Alles muss ganz cremig gerührt werden und immer schön langsam, damit keine Bläschen entstehen“, erzählt er, während er im Schleuderraum die Utensilien zeigt.

Es ist schön, auch in dieser kurzen Zeit zu erleben, dass sich hier jede und jeder in den Tätigkeiten sicher fühlt und selbstständig arbeitet. „Ich staune immer wieder und genieße es, beim Mittagessen die Geräusche zu hören, wenn die Bienen im Basilikum sind. Das ist so ein toller Sound“, sagt einer der Hobbyimker.

Einer der Teilnehmer lebt in einer Wohngruppe in Hiltrup. Wenn er morgens mit dem Rad zur Gärtnerei fahre, so erzählt er, fühle sich das schon an wie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Zustimmendes Nicken von allen Kolleginnen und Kollegen: Diese Gruppe hat durch die gemeinsamen Erfahrungen gelernt, zu was sie fähig ist. Und ganz „nebenbei“ ergibt sich dadurch ein so hochwertiges Produkt wie der Klosterwiesenhonig, dessen Entstehung die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wortwörtlich von der ersten Sekunde an mitgestalten.

Während wir nämlich auf der bunten, summenden Wiese zwischen den Beuten stehen, berichtet einer von ihnen, wie er tags zuvor den Bienen beim Schlüpfen zugesehen hat. „Mit einem kleinen Grashalm habe ich vorsichtig die Wachsschicht abgemacht. Die Kleinen waren grau und ganz wuschelig“, erzählt er lächelnd. Die Gruppe hört aufmerksam zu, niemand unterbricht den anderen und eine der Hobby-Imkerinnen findet zum Schluss einen zartfühlenden Vergleich: „Da warst du sozusagen ein richtiger Geburtshelfer für unsere Bienen.“ Ja, Mensch und Tier teilen sich hier diesen wunderschönen Arbeitsplatz.

Info: Die Gärtnerei Sinnesgrün bietet Arbeitsplätze für rund 100 Menschen in den Berufsfeldern Gartenbau, Imkerei, Floristik, Garten- und Landschaftspflege. Auch den Bio-Honig kann man dort natürlich erwerben: Alexianerweg 49, Münster-Amelsbüren. Öffnungszeiten MO-FR: 9.30 bis 16.30 Uhr.

Außerdem gibt es den Honig hier:
– Onkel Alex in Hiltrup, Marktallee 41, 48165 Münster-Hiltrup, MO-FR: 10 bis 18 Uhr
– Onkel Alex in Telgte, Steinstraße 8, 48291 Telgte, MO-FR: 10 bis 18 Uhr

Text und Fotos: Miriam Lethmate

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