Gasthof Nordhaus-Lemkerberg

Ich habe die Straße für mich allein. Von hohen Bäumen, Wiesen, Feldern und vereinzelten Höfen gesäumt, windet sie sich bergauf, bergab. Minutenlang stört diese ruhige Oase lediglich mein Motorengeräusch. Das Navi sagt, ich sei richtig. Noch eine Linkskurve und da sehe ich von weitem ein stattliches Bauwerk mit hohem Giebel, hübscher Klinkerfassade und einem breiten Aufgang. Der Gasthof Nordhaus-Lemkerberg liegt am äußersten Zipfel des Kreises Warendorf zwischen Beckum und Lippstadt. Bis zum Kreis Soest sind es 800 Meter.

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Wo die Fenster Bilderrahmen sind…

Die Chefin Christiane Nordhaus öffnet mir die Tür zum Restaurant. Da heute eigentlich Ruhetag ist, freue ich mich umso mehr über die persönliche Führung durch den Betrieb. Obwohl: Ganz ruhig ist es hier nie. Jeden Tag, und zwar schon seit 35 Jahren, kommen aus der Lemkerberg’schen Küche leckere und gesunde Mittagsgerichte für eine nahe gelegene Schule. „Wir machen richtig schöne Hausmannskost für die Kleinen“, erzählt Christiane Nordhaus, während sie mich zum großen, lichtdurchfluteten Saal führt. Hier können bis zu 100 Personen mit Blick auf die gemütliche Terrasse feiern und genießen. Denn Genuss steht in Christiane Nordhaus’ Kleinod im Grünen im Vordergrund: Das Restaurant ist in der ganzen Region bekannt für seine herrlichen Wildgerichte, die alle mit dem Münsterland-Siegel ausgezeichnet sind.

Schnell merke ich, dass ich hier in einem Restaurant zu Gast bin, wo Transparenz täglich und vollständig gelebt wird. Der Dreh- und Angelpunkt dabei ist die Jagd in benachbarten Revieren. Allerdings – und das ist wirklich etwas ganz Besonderes – weidet auf der riesigen Fläche hinter dem hauseigenen Garten auch eine Herde Hirsche. Christiane Nordhaus muss ein wenig in die Vergangenheit tauchen, um mir die Entwicklung des ehemaligen Bauernhofs hin zu einem Wildspezialitäten-Restaurant zu erklären. Und ich liebe diese spannenden, alten Familiengeschichten. Sie machen die Betriebe im Münsterland aus.

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Die erste Erwähnung findet 1788 in Kirchenbüchern eine „Wirtschaft auf dem Lemkerberge“. 1825 heißt es, der Besitzer des Bauernhofes sei einer der ersten Branntweinbrenner im Kirchspiel Liesborn. Eine weitere Veränderung des Hofes gab etwa 50 Jahre später: An der Seitenwand des wunderschönen, mehrteiligen Gebäudes hatte ich bei meiner Ankunft das Baujahr 1878 gelesen.

Ihre Großeltern, erzählt die 47-Jährige, haben dann 1935 die Geschichte der Familie Nordhaus mit dem Lemkerberg verwoben, da sie als Pächter den Hof samt Gastwirtschaft übernahmen. Ihr Vater Paul Nordhaus kaufte 1964 den Betrieb.

„Meine Mutter kam 1970 dazu. Sie ist Wirtschafterin und sorgte mit viel Elan dafür, dass ein Gastronomiebetrieb entstand“, erzählt Christiane Nordhaus. In ihrer ruhigen, freundlichen Stimme schwingt immer ein Lächeln mit. Seit mehr als 20 Jahren führt die älteste Tochter der Familie das Restaurant samt kleinem Hotelbetrieb mit vier Zimmern.

Die gelernte Restaurantfachfrau und Hotelfachfrau mit Ausbildereignung steht nun seit drei Jahren wieder in der Küche, um die Gäste zu verwöhnen – ein starkes Team ist mit dabei. Tja, und dann ist da noch die Sache mit den Spezialitäten. In einem Restaurant, das für seine exzellenten Wildbret-Kreationen bekannt ist, muss die Chefin – so Christiane Nordhaus’ Überzeugung – von der Pike auf lernen, diese Gerichte zuzubereiten. Ja, genau: Anfang des Jahres hat sie ihren Jagdschein gemacht. Selbst ist die Frau und ich habe großen Respekt vor diesem Durchsetzungsvermögen. Schließlich sind wir hier nicht bei Aschenbrödel oder den Tributen von Panem – im Münsterland ist die Jagd immer noch eine Männerdomäne.

Das hat Christiane Nordhaus nicht abgeschreckt. „Die Prüfungsfragen waren für mich altbekannt“, erzählt sie lachend. Schließlich schnappte sie bereits als Kind viel Fachwissen von ihrem Vater auf, den sie später oft zu den Revieren rund um Wadersloh begleiten durfte. Aus diesen stammt bis heute das Fleisch für Hirschkeule, Wildschweinrücken oder Rehgulasch, die der 82-jährige Senior noch selber zerwirkt.

Großer Stolz der Familie sind zudem die 25 Hirsche, die Paul Nordhaus und sein Enkel versorgen. Andreas kümmert sich mit seinen gerade mal 14 Jahren zudem um 30 Rassehühner, die sich unweit der Hirsch-Wiese tummeln, und hatte eine pfiffige Geschäftsidee: „Andis Bio-Eier von glücklichen Hühnern“ sind bei den Gästen sehr begehrt. Die ältere Tochter Corinna hilft ebenfalls manchmal im Betrieb, zum Beispiel beim „Lemkerberger Schützenfest“, bei dem sie den Weinbrunnen betreut.

Die Zutaten für die Wild-Gerichte stammen übrigens immer nur aus einer Jagdsaison, um Frische zu garantieren. „Der Qualitätsanspruch der Gäste ist gestiegen. Die Leute wollen nicht mehr so oft rausgehen, dafür aber gezielter und besser essen“, ist Christiane Nordhaus’ Erfahrung der vergangenen zehn Jahre. Der Renner seien immer noch alte westfälische Gerichte, da besonders die Jüngeren diese oft nicht mehr selber zubereiten könnten.

„Eine richtig schöne Rinderroulade, zarter Tafelspitz mit Zwiebelsauce, ein gut gekochter Pudding oder Herrencreme. Es soll schmecken wie bei Mama, deswegen kommen viele Gäste hierher“, weiß die Chefin.

Während wir die Hirsche beobachten, die unbeeindruckt von zwei vorwitzigen Enten im Schatten ruhen, hüpfen plötzlich zwei Lämmchen über die Wiese auf unserer Seite des Zauns. Tatsächlich, eine kleine Schafsherde gibt’s hier auch. Die Tiere grasen unter alten Apfelbäumen, aus deren Früchten im Herbst Mus gekocht wird.

Direkt hinter der Obstbaumwiese befindet sich das große Areal, welches in geraden Jahren wie 2018 im August zum Festplatz des örtlichen Schützenvereins wird. Im großen Zelt feiern die Mitglieder dann grenzüberschreitend ihr Schützenfest, denn der Verein Lemkerholz-Lemkerberg stammt aus den Kreisen Soest und Warendorf. So stur sind die Westfalen also gar nicht.

Eine urige Alternative zum echten Vereinsleben bietet der Gasthof übrigens auch: Paul Nordhaus ließ vor Jahren die einzige private Vogelschießanlage im Umkreis von 50 Kilometern errichten. Hier weiß man halt, was den echten Münsterländer – abgesehen von Fleisch – glücklich macht. Begleitet von einer professionellen Schießaufsicht können Gäste herausfinden, wer sich König der Familie oder des Freundeskreises nennen darf. Und da auch beim privaten Schützenfest Getränke und Leckereien nicht fehlen dürfen, gibt es die rustikale Hütte mit Zapfanlage mitten im verwunschenen Garten, der durch charmante Details besticht.

Auf dem Weg zur Hütte freue ich mich nicht nur über die Spielplatzgeräte für die jüngsten Gäste, sondern entdecke Kleinigkeiten wie ein Hochbeet mit Rosmarin und Salbei, eine Holzbank, die Paul Nordhaus vor Jahrzehnten selbst angefertigt hat, oder eine alte Egge, halb von Gräsern versteckt. Ja, hier kann man einen perfekten, lauschigen Nachmittag verträumen.

Hauptsaison für die Wildgerichte ist aber natürlich die kalte Jahreszeit. Vielen Gästen ist vor allem ein besonderer Service wert, einige Kilometer zu fahren: vorbestellbare Braten und andere Wild-Spezialitäten mit dem Münsterland-Siegel. „Zum Muttertag, an Weihnachten oder Silvester ist das der Renner“, freut sich Christiane Nordhaus.

In portionierten Vakuumverpackungen, die lediglich im Wasserbad zu erwärmen sind, gönnen sich viele Familien oder Alleinstehende ihren besonderen Festtagsschmaus samt Sauce zu moderaten Preisen. Natürlich alles zubereitet vom Lemkerberg’schen Küchenteam, wie ich mich auch heute überzeugen kann.

Während Gerda Nordhaus gerade das Mittagessen für die Schüler verpackt, sitzt Paul Nordhaus in einem kleinen Raum hinter der Küche und schneidet mit einer Engelsgeduld Rehleber. Eine seiner besonderen Spezialitäten sind übrigens die Wildbratwürstchen, die sich zurzeit besonders gut auf dem Grill machen.

Gibt es denn ein Gericht, auf das die Chefin nicht verzichten mag? Da muss sie ob der Schwere der Entscheidung grinsen: „Naja, für Wild bin ich immer zu haben, aber ich kann mich nicht festlegen.“

Und das geht natürlich auch den Gästen so.

 

Gasthof Nordhaus-Lemkerberg
Winkelhorster Straße 17
59329 Wadersloh-Liesborn

Telefon: +49 (0)25 20 – 93050
Fax: +49 (0)25 20 – 930550

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Text und Fotos: Miriam Lethmate

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