Rheines Rathaus-Bienen

Es ist eine Geschichte über Familienzusammenhalt, Ideenreichtum und echte Inklusion: Markus Linnenbaum gründete „Rheines Honiglikör“ 2018, um seiner Tochter Marie-Sophie später einen Arbeitsplatz bieten zu können. Die 15-Jährige mit Handicap hilft mittlerweile oft in der kleinen Imkerei – völlig angstfrei. Ihre langsam, aber unaufhaltsam gewachsene Liebe zu Bienen beweist das junge Mädchen eindrucksvoll bei einem außergewöhnlichen Termin: Hoch über den Dächern ihrer Heimatstadt Rheine darf Marie-Sophie mit Papa Markus zwei Bienenvölker übergeben.

Und zwar an keinen geringeren als Bürgermeister Dr. Peter Lüttmann. Denn die Familie Linnenbaum verkauft nicht nur leckere Produkte aus dem selbst geschleuderten Honig, sondern vermietet seit 2020 auch ganze Bienenvölker an interessierte Institutionen.

40.000 Bienen

Die zwei roten Kästen konnte Markus Linnenbaum problemlos im Kombi-Kofferraum verstauen. Man mag kaum vermuten, dass im Inneren absoluter Tumult herrscht. Denn es sind zwei Völker, bestehend aus je 20.000 Bienen, die nun ihre neue Heimat im Herzen von Rheine, auf dem Dach des Rathauses, beziehen.

Jeder Kasten, so erklärt der Imker bei der Aufzugfahrt in den fünften Stock, wird durch ein Gitter in zwei Hälften unterteilt. Unten ist der Brutstock, oben wird der Honigraum entstehen. Die Königin ist nämlich weit voluminöser als ihre Untertaninnen und kann nicht durch das Gitter nach oben schlüpfen. Gebrütet wird also nur unten.

Auf dem großen Flachdach angekommen, genießen Markus und Marie-Sophie Linnenbaum kurz den beeindruckenden Ausblick aus 30 Metern Höhe über Rheine. Dann geht’s schnell wieder an die Arbeit, den passenden, windgeschützten Platz für die neuen Rathaus-Mitarbeiterinnen aussuchen.

Das ganze Unterfangen ist eine absolute Herzensangelegenheit für den Imker. Die Erlöse aus dem Verkauf des Honigs spendet er zur Hälfte der Christiane-Herzog-Schule in Neuwied, eine Schule mit dem Förderschwerpunkt motorische Entwicklung. Dort lebt Marie-Sophie während der Woche im Internat und macht nächstes Jahr ihren Abschluss.

Die andere Hälfte des Erlöses wird den Förderschulen im Kreis Steinfurt zugutekommen.

25 Bienenvölker hat Markus Linnenbaum bereits vermietet, u.a. an eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung, Altenheime, mehrere Förderschulen. Das Besondere: Den caritativen Einrichtungen überlässt der Imker die Stöcke kostenlos, übernimmt auch ehrenamtlich die Pflege.

„Für die Kinder in den Förderschulen ist es ein absolutes Erlebnis, wenn ich ihnen ein bisschen was übers Imkern erzähle und sie sogar mal in den Stock gucken können. Mit genügend Abstand natürlich“, erzählt Linnenbaum, der hauptberuflich als Altenpfleger arbeitet.

Für Maries Rentenkasse

Institutionen oder Betriebe, wie z.B. die Feinkostfleischerei Hidding in Nordwalde, bezahlen für die Bienenpatenschaft. Dieses Geld fließt dann wiederum in die Rentenkasse von Marie-Sophie und zur Hälfte an die Förderschulen im Kreis. Die Stadt Rheine unterstützt mit ihrer Patenschaft die integrative Arbeit der Familie und die Förderschulen des Kreises.

Auf dem Rathaus-Dach erkunden die Bienen derweil höchst neugierig ihre Umgebung sowie die wenigen Menschen, die sie dort vorfinden. Ruhe zu bewahren ist da für Laien nicht ganz einfach. Marie-Sophie aber steht reglos einige Meter neben den Stöcken und beobachtet versonnen lächelnd zwei Bienen, die auf ihrem Imkeranzug herumkrabbeln.

„Städtischer Honig hat eine besonders gute Qualität, weil hier natürlich nicht gedüngt oder gespritzt wird“, sagt Markus Linnenbaum. Alle zwei Wochen wird er nun nach den Rathaus-Bienen sehen und zuerst die Frühjahrstracht, Ende Juli dann die Sommertracht schleudern können. Pro Jahr erhält man 20 Kilo Honig pro Stock. Den Rathaus-Honig, sagt Bienenpate Peter Lüttmann, werde man Gästen der Stadt schenken. Zudem kann man die Produkte der Rathaus-Bienen im Feinkostladen Früchte Eck kaufen.  

Wer selber die guten Gaben der Imkerei Linnenbaum probieren möchte, kann am besten einen Abstecher nach Hauenhorst machen. Am Hessenweg 42 stehen zwei Hofautomaten mit Honig und Blütenpollen. Aber auch Eier, Fleisch- und Milchprodukte sowie Wasser und Schorlen, alle ausgezeichnet mit dem Münsterland-Siegel, sind dort erhältlich.

Ein besonderer Gaumenschmaus (für den man wegen des Jugendschutzes an der Linnenbaum’schen Türe klingelt) sind der Honiglikör mit einem überragenden Honiganteil von fast 60 Prozent sowie der Eierlikör aus grünen Eiern freilaufender Hühner. Und zu guter Letzt erkennt man auch am Hofautomat Markus Linnenbaums Liebe zu seinem Hobby: Hinter einem Fensterchen in Sichthöhe kleiner Kinder darf man emsige Bienen bei der Arbeit beobachten.

Beim Layout des Schaukastens hat die Rheiner Graphikerin Pascale Gatto geholfen. Sie unterstützt mit sehr viel Herzenswärme, wie Markus Linnenbaum betont, das integrative Projekt mit ihren Entwürfen und hat auch die Urkunde über die Patenschaft gestaltet. Bei Interesse an einer Bienenpatenschaft gibt es hier weitere Infos.

Text und Fotos: Miriam Lethmate

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Estelle Beck sagt:

    Eine wirklich schöner Beitrag über Familienzusammenhalt ❤️

    1. Vielen Dank, liebe Estelle!

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