Die imposanten Holzbuchstaben vor dem neu gebauten Firmensitz glänzen golden im Sonnenlicht: IMPING steht dort in hellen Lettern und lotst die Besucher direkt zum gläsernen Haupteingang. Die traditionsreiche Kaffeerösterei aus Bocholt hat sich 2018 vergrößert und ihren Firmensitz an den Stadtrand verlegt.
Das Stammhaus im Herzen Bocholts an der Nobelstraße besteht aber natürlich weiterhin und lockt täglich Kaffeefreunde an. Zudem wird 2021 das Café Imping im neuen Hauptgebäude der Stadtsparkasse eröffnet. Das Traditionsunternehmen, gegründet 1875, wächst also stetig und bleibt seiner Heimat treu – kein Widerspruch und sinnbildlich für viele Familienunternehmen im Münsterland.
Heute werde ich also im Firmensitz an der Wüppings Weide empfangen und zwar von Sarah Novak, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Mann Mike Novak leitet.
Die Kaffeereise beginnt passenderweise vor einer großen, farbenfrohen, mit Kaffeekannen verzierten Weltkarte, die sofort Sehnsucht weckt: nach exotischen, nebelverhangenen Bergregionen, nach dampfenden, duftenden Kaffeespezialitäten. Guatemala, Honduras, Costa Rica. Äthiopien und Uganda. Indien und Sumatra.
Sarah Novak lächelt. Sie hat die Karte selbst gestaltet und als Startpunkt für die Fotoserie gewählt, die Gäste während ihres Gangs durchs Gebäude alle Stationen der Kaffeeproduktion erfahren lässt.
Die genannten Länder liegen alle im so genannten Kaffeegürtel, jeweils 20 bis 25 Grad über oder unter dem Äquator. Wegen des subtropischen Klimas wächst dort der Kaffee. „Woanders könnte er nicht gedeihen“, sagt Sarah Novak, während sie mich ins riesige Lager führt.
Die Kapazität im neuen Sitz wurde verdoppelt, nun stehen 2000 Quadratmeter für die 1536 Palettenstellplätze zur Verfügung. Und auch die große Einweihungsparty im Mai 2019 fand hier statt, denn das zeichnet die Novaks aus: Sie leiten das Unternehmen familiär, auf Augenhöhe mit allen Mitarbeitern und sehr herzlich. „Ich bin nicht Frau Novak, ich bin hier einfach die Sarah“, sagt die Chefin grinsend.
Ihr Mann hat den Betrieb 2005 übernommen, nachdem Rainer Imping, der letzte der namensgebenden Inhaber, bereits verstorben war. Der Familienbetrieb war 1875 in Bocholt gegründet worden. Unter Wahrung der Traditionen und des Wissens aus vielen Jahrzehnten Kaffeekunst haben die Novaks ihn in die Moderne geführt.
Wir stehen mittlerweile vor dem nagelneuen Trommelröster, einem glänzenden Edelstahl-Schmuckstück, gasbefeuert und mit 60 Kilo Fassungsvermögen. Hier findet die letzte Stufe der Produktion statt, die Veredelung der Bohnen.
Ein Bonus der Räumlichkeiten: Röstvorführungen können auch für größere Gruppen angeboten werden, Abstand zu halten ist kein Problem.
„Eine Charge wird zwischen 12 und 20 Minuten geröstet. Wir stellen hier die kleinen, feinen Sorten her, zum Beispiel Bio-, Fair Trade- oder Specialty-Sorten“, erklärt Sarah Novak. Daher sind diese Imping-Produkte mit dem Münsterland-Siegel ausgezeichnet, welches in der Region hergestellte Lebensmittel auszeichnet.
Bei der schonenden Langzeitröstung werden die Bohnen bei 160 bis maximal 230 Grad Celsius erwärmt und entwickeln dabei das beste Aroma. Zum Vergleich: Bei der industriellen Röstung werden auf die Röstung nur etwa drei Minuten verwendet. Die Bitter-, Reiz- und Gerbsäuren werden im Trommelröstverfahren hingegen schonend abgebaut.
Dass das Rösten ein echtes Handwerk ist, welches Talent und Wissen bündelt, zeigt der Vergleich des neuen Trommelrösters mit dem Röster aus dem Jahr 1954: Dieser steht noch im Stammhaus an der Nobelstraße, erzählt Sarah Novak, und ist ebenfalls noch im Einsatz. Doch nicht nur die verschiedenen Techniken muss der Röstmeister beherrschen, auch das intuitive Wissen zählt. Alleine an Farbe und Geruch der Bohnen erkennt der wahre Meister beispielsweise, wann verschiedene Sorten den perfekten Punkt des Röstens erreicht haben.
„Der Röstmeister muss während des ganzen Vorgangs dabei sein und Proben ziehen. Er muss die Luftfeuchtigkeit, Wärme und das Aussehen der Bohnen kontrollieren“, sagt Novak, deren Liebe zum Kaffee begann, als sie mit 18 in der Gastronomie anfing. Die gelernte Bürokauffrau ist dieser Liebe immer treu geblieben. Sie belegte verschiedene Barista-Kurse, leitete mehrere Cafés – und lernte eines Tages einen ganz besonderen Kaffeelieferanten namens Mike Novak kennen.
Nicht nur die Liebe zum Kaffee verband die beiden auf Anhieb. Auch das Engagement für soziale Projekte war von Anfang ein wichtiges Thema, so unterstützen die Novaks schon lange Titus Dittmann und sein Skate-Aid, beispielsweise mit der erfolgreichen „Skate Aid“-Sorte. „Das ist ein Herzensprojekt für uns“, sagt Sarah Novak, als wir neben einem türkis-gelben Skateboard stehen. Diesen Blickfang im Treppenaufgang hat das Ehepaar bei einer von Dittmanns Wohltätigkeits-Auktionen ersteigert. Das Board wurde in Ghana von einigen Jungs hergestellt, die selber am Projekt teilnehmen, und ziert nun als Lampe im Street Style die unverputzte Wand.
Dieses Detail gemeinsam mit den vielen großformatigen Fotos, die Sarah Novak selber auf den Kaffeeplantagen aufgenommen hat, symbolisiert die sprichwörtliche Erdverbundenheit der Firmeninhaber. Denn sie sind immer wieder vor Ort, halten Kontakt zu den Mitarbeitern in den entlegensten Winkeln der Erde, stehen hinter Fair Trade.
„Die Plantagen liegen alle an Hängen, da ist alles Handarbeit, also wirklich schwere Arbeit. Das muss man sich immer bewusst machen“, sagt Sarah Novak, die selbst schon bei den Ernten geholfen hat.
Besonders schöne Erinnerungen hat sie an die Zeit auf einer Plantage in El Salvador: „Die Menschen waren alle so offen, so herzlich. Wir haben jeden Abend zusammen in den Familien gegessen.“
Die Bohnen für die Sorte „Flores del Café“ stammen aus Nicaragua. Die Plantage bewirtschaften nur Frauen und die Bohnen gehen ohne Zwischenhändler nach Bocholt. So ist eine gerechte Bezahlung gewährleistet.
Ein weiteres, stetig wachsendes Feld sind die Bio-Sorten, die ohne chemische Düngemittel angebaut werden. Die Sonderkaffees, die in Kleinmengen geröstet werden, sind meist streng limitiert, denn die Plantagen ernten pro Jahr nur eine begrenzte Menge Bohnen.
Wir sind im Cupping-Raum angekommen, der ein urbanes Flair verströmt. Man fühlt sich direkt wie im Loft eines New Yorker Kaffee-Experten. Hier wird jedenfalls alles probiert, was die leidenschaftliche Kaffeegenießerin an ihre Kunden weitergeben möchte. Ob klassischer Siebträger, Filterkaffee oder aber Cold-Drip und Nitro-Kaffee – es gibt nichts, das Sarah und Mike Novak nicht persönlich testen. Denn wenn sie Schulungen anbieten, Zubereitungsmöglichkeiten zeigen und Kaffees empfehlen, müssen sie natürlich selber überzeugt sein.
„Wir machen das alles mit ganz viel Herz und Leidenschaft“, bringt es Sarah Novak auf den Punkt. Und das ist keine Floskel, sondern ein Gefühl, das jeder Besucher beim Verlassen des Imping-Gebäudes mit nach Hause nimmt.